Singen, tanzen und verlieren
Auch Wasserball hat seine Champions League: Zwischen Spandau 04 und Galatasaray Istanbul ging es dabei am Mittwoch friedlich zu
»Soviel Wasserball war seit Ewigkeiten nicht mehr in den Medien«, stellte Peter Röhle am Mittwochabend verwundert fest. Der deutsche Rekordnationalspieler und spätere Trainer und Manager der Berliner Wasserfreunde Spandau 04, war schon vor dem Champions -League-Match gegen den türkischen Serienmeister Galatasaray Istanbul sehr zufrieden, auch wenn der Andrang nicht der Sportart schlechthin geschuldet war. Wasserball schafft es derzeit kaum noch in den hiesigen Medien - weder online noch gedruckt.
Zwei Dinge befeuerten das plötzliche Interesse: zum einen die Krawalle beim Basketball in der Arena am Ostbahnhof bei der Euroleague-Partie von Alba Berlin gegen Galatasaray, wo Fäuste und Stühle flogen und ein Sachschaden von 35 000 Euro entstand. Zum anderen eine Werbekampagne vor dem Mittwochsspiel, bei der die Spandauer Spieler in Badehose, Kappe und Latschen gewandet in Berliner S- und U-Bahnen auftauchten und mit ihren - so Kapitän Marko Stamm - »Astralkörpern« vor allem Frauen vom Besuch des deutsch-türkischen Duells zu überzeugen suchten. Sie hatten reichlich Freikarten dabei, je 2000 an den beiden Tagen. Was davon zeugt, dass angesichts der 1500 Plätze, die die heimelige Schöneberger Schwimmhalle hat, von vornherein nur mit einer moderaten Erfolgsquote bei der Kartenverteilung gerechnet wurde.
Auch Wasserball-Urgestein Peter Röhle wusste nicht so recht, was er von der Aktion halten sollte. »Mir wäre es ehrlich gesagt lieber, wenn man um des Wasserballs Willen über uns berichten würde. Und nicht nur deshalb, weil sich eventuell Leute prügeln oder ein paar halbnackte Jungs in der Bahn rumlaufen.«
Die Bewerbung war denn auch nicht übermäßig erfolgreich, alles in allem kamen um die 600 Zuschauer, darunter 60 bis 70 Galatasaray-Fans. Die waren in ihrem Gelb-Rot nicht zu übersehen, und mit ihren Dauergesängen erst recht nicht zu überhören. Aber das Fürchten lehrten sie weder die vor dem Match mit fünf Mannschaftswagen angerückten Polizeikräfte noch die Sicherheitsfirma. Denn alles blieb höchst friedlich. Ohne die Galatasaray-Community wäre das Ereignis ziemlich emotionsarm geblieben und hätte dem entsprochen, was Marko Stamm aus der Erfahrung vorangegangener Duelle so formuliert hatte: »Die haben ihren Verein angefeuert bis zum Gehtnichtmehr. Das finden wir aber ganz okay - besser als so ein schweigendes Opernpublikum.«
Von letzterem waren die Spandau-Anhänger trotz wechselvollen Verlaufs auch diesmal nicht weit entfernt. Der Spielfilm aus 04-Sicht unterstreicht die eigentlich vorhandene Spannungsdramaturgie: 2:0 Spandau, 2:4, 5:4, 6:7, 9:7, 9:8, 10:8, 10:9! Sieg für Spandau. Damit hat man nun 2:5 Erfolge auf dem Konto, bleibt Vorletzter der Sechsergruppe und ohne Chance auf den Einzug ins Final Six der Champions League Ende Mai in Barcelona, das die ersten Drei der Gruppe erreichen.
Der Dritte ist bei aktuell noch drei ausstehenden Spielen (justament gegen die Top 3) neun Punkte voraus - bei drei Zählern pro Sieg. Istanbul ist nach der Berliner Niederlage bereits definitiv aus dem Rennen, da hilft auch keine noch so widersinnige hochtheoretische Chancenberechnung mehr. Die Galatasaray-Fans freilich focht das am Mittwochabend nicht an. Vom ersten Moment des Spiels an tanzten, sangen und sprangen sie auf den Rängen - unabhängig vom Spielstand und den Ereignissen im Becken. Das entsprach dem, was sie auf einem großen Transparent an der Tribüne verkündeten: »Die Liebe kann man nicht beschreiben! Für jeden ist es gut!«
Mustafa B. (15) war schon in der Vorsaison mit seinem Freund beim Galatasaray-Auftritt der Wasserballer in der Halle. »Das ist Pflicht«, sagt er, auch, wenn er vom Wasserball nicht so viel Ahnung habe. »Wenn Galatasaray American Football spielen würde, würde ich auch da hingehen.« Natürlich war er auch beim Basketball am 19. März, und als der Autor ihn darauf anspricht, fragt er: »Bist Du Kripo?« Das Nein beruhigt ihn und er bekundet: »Das Spiel war richtig geil. Alles war geil.« Und beeilt sich zu betonen, dass er bei der Randale natürlich nicht mitgemacht habe.
An Randale war beim Wasserball nicht zu denken. »Alles war in der Tat sehr friedlich«, berichtet Bernd Sommer, einstweilen pensionierter Sportmitarbeiter in der Berliner Senats-Innenverwaltung und eingefleischter Wasserball-Fan. Weil er keinen anderen Platz gefunden hatte, sah er sich das Spiel im Galatasaray-Fanblock an. »Für hiesige Temperamente ist das sicher etwas ungewöhnlich, aber auch faszinierend, wie die ihre Lieblinge feiern. Dass sich verschiedene Gruppen untereinander und gegenseitig anheizen, das kann man allerdings auch beobachten. Wenn es da Leute mit unlauteren Absichten gibt ….«, sagt er und lässt das Ende des Satzes offen. Um doch noch fortzusetzen: »Beim Wasserball ist das freilich höchst unwahrscheinlich.«
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