Der Reformer auf dem Fußballplatz

Georgien, Deutschlands Gegner in der EM-Qualifikation, macht die Schwäche der heimischen Liga zu schaffen

  • Shalva Buachidze, Tbilissi
  • Lesedauer: 3 Min.
Vor 20 Jahren, am 29. März 1995, spielte Georgien schon einmal gegen Deutschland - vor 110 000 Zuschauern. Der Außenseiter verlor 0:2 und will auch diesmal den Weltmeister so lange wie möglich ärgern.

Die Vorfreude auf den Weltmeister ist enorm, das Stadion »Boris Paichadze Dinamo Arena« in Tbilissi längst ausverkauft. Die Fans in dem fußballverrückten Land am Schwarzen Meer fiebern dem Gastspiel von Bastian Schweinsteiger, Thomas Müller & Co. entgegen. »Allein der Fakt, dass wir gegen den Weltmeister spielen, ist eine große Herausforderung und Verantwortung«, sagte Georgiens neuer Nationaltrainer Kachaber Zchadadse vor der EM-Qualifikationspartie gegen Deutschland an diesem Sonntag.

Seine Profis bekämen »die Möglichkeit, gegen die beste Nationalelf zu spielen und sich beweisen zu können«, betonte der frühere Profi von Eintracht Frankfurt. Vor 20 Jahren, als Georgien am 29. März 1995 gegen Deutschland vor der Rekordkulisse von 110 000 Zuschauern durch zwei Klinsmann-Tore mit 0:2 verlor, stand Zchadadse als Abwehrspieler auf dem Platz. Heute hofft der 46-Jährige ganz vorsichtig »auf ein positives Ergebnis für uns«. In der Weltrangliste wird Georgien nur auf Rang 126 geführt.

»Das größte Problem im georgischen Fußball ist die schwache Meisterschaft, die wir haben«, sagt Zchachadse, der seit Ende 2014 im Amt ist. Bis auf Dinamo Tbilissi haben fast alle Klubs finanzielle Probleme. Es gibt keine TV-Einnahmen, viele Spiele sind für die Zuschauer kostenlos. Oft können die Vereine keine Gehälter zahlen und die Spieler wandern von Klub zu Klub. Auch das Meisterschaftssystem wird fast jedes Jahr gewechselt - mal 12 Mannschaften in zwei Gruppen, mal 16 Klubs in einer Liga. So kommt es sogar vor, dass niemand weiß, wie viele Vereine auf- und absteigen werden, denn es ist fast nie sicher, mit welchem System die kommende Meisterschaft gespielt wird.

Große Hoffnungen setzen die Fans in Lewan Kobiaschwili. Der ehemalige Bundesligaprofi vom SC Freiburg, Schalke 04 und Hertha BSC möchte Verbandspräsident werden und verspricht Veränderungen. »Der georgische Fußball braucht Ordnung und Konzept. Der Verband hat kein Konzept, keine Strategie und kein System. Ich denke, es ist Zeit für Veränderungen - und zwar genau dort, wo der georgische Fußball geführt wird, im Verband«, sagt Kobiaschwili.

Auf dem Platz versucht sich Zchadadse bereits als Reformer. Zuletzt arbeitete der frühere Nationalmannschaftskapitän erfolgreich im Nachbarland Aserbaidshan als Cheftrainer von Inter Baku. Unter seinem Vorgänger Temur Ketsbaia spielte Georgien stark defensiv, Zchadadse setzt auf Pressing und mehr Offensive. Seine Mannschaften spielten oft im 3-4-2-1-System, aber auch im 4-4-2 oder 4-2-3-1. Doch trotz aller Anstrengungen wird es für Kachaber Zchadadse wie schon für seine Vorgänger Klaus Toppmöller (2006-2008) oder Hector Raul Cuper (2008-2011) schwer, dem georgischen Fußball endlich einen Erfolg zu bescheren. Noch nie qualifizierte sich das Land für eine Welt- oder Europameisterschaft. dpa/nd

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.