Ignoriert oder verspottet
Zu langweilig, zu klein oder zu kritisch - warum die Friedensbewegung in deutschen Medien so schlecht wegkommt
Die Ostermärsche stehen vor der Tür und schon jetzt ist klar, dass in kaum einem Medienbericht ein längerer Absatz dazu fehlen wird, dass sich heute weit weniger Menschen als in den 1980er Jahren daran beteiligen. Welche Anliegen und Argumente die Demonstranten haben, das taucht außerhalb von linken Alternativmedien allenfalls in ein paar Sätzen auf. Von FAZ bis taz ist man sich einig: Die Friedensbewegung sei selber schuld, dass sie kaum wahrgenommen wird. Zu langweilig und überaltert sei sie, und überhaupt vermisse man gute Vorschläge zur Lösung der Konflikte.
Sinnvolles zu den Krisen dieser Welt, so scheint es, haben nur elitäre Sicherheitsinstitute, regierungsnahe Stiftungen oder transatlantische Think Tanks beizutragen. Die Friedensbewegung wird erst dann interessant, wenn es in ihren eigenen Reihen Streit gibt oder man ihr den Vorwurf machen kann, für Akteure mit rechtem Gedankengut offen zu sein. Selbst wenn sich renommierte Intellektuelle wie Eugen Drewermann und Daniela Dahn an einer Demonstration des Friedenswinter-Bündnisses beteiligen, sind es nur »2000 Verschwörungstheoretiker, Rechte, Linke und offenkundige Wirrköpfe« (Tagesspiegel.de vom 13. Dezember 2014), die sich da in Berlin vor dem Sitz des Bundespräsidenten versammelt haben.
Eine Studie zur Berichterstattung über die Münchner Sicherheitskonferenz und ihre Gegner in den Jahren 2007 bis 2010 ergab, dass Leitmedien wie die »Frankfurter Allgemeine«, »Süddeutsche Zeitung« und »Welt« die Proteste ignorierten, marginalisierten oder delegitimierten. Eine »treue Protestler-Truppe« sei es, die »erfolgreich jedes Nachdenken eingestellt« habe und ihre »liebgewordenen Rituale öffentlich pflegt«, und zwar auf »reinen Spinnerveranstaltungen«, heißt es da. Dabei schleichen sich schon mal falsche Zahlen ein: Wenn der Außenpolitik-Chef der »Süddeutschen«, Stefan Kornelius, die These verfolgt, dass die Sicherheitskonferenz »an Reibungsfläche verloren« habe, belegt er das damit, dass im Vorjahr »lediglich 500 Demonstranten auf der Straße« waren (SZ vom 3. Februar 2010). Schaut man allerdings ins Archiv, hatte seine eigene Zeitung damals von 3500 Demonstranten berichtet. Und die Alternativveranstaltung? Die Internationale Münchner Friedenskonferenz wird, wenn überhaupt, im Lokalteil erwähnt. Worum es genau geht, erfährt der Leser nicht.
Doppelte Standards, wohin man blickt: Beraten sich Machteliten auf einer privaten, von Rüstungskonzernen und Bundesregierung gesponserten Konferenz über Außen- und Sicherheitspolitik, wird ihr Diskurs detailliert wiedergegeben. Hinterfragt wird die ganze Konstruktion nicht. Beraten sich Friedensforscher, kritische Publizisten und Praktiker der zivilen Konfliktbearbeitung über dieselben Themen, müssen das die Veranstalter nicht nur überwiegend aus Kleinspenden finanzieren, sondern werden auch noch medial ignoriert oder verspottet. Verhandelt Angela Merkel mit einem ukrainischen Premier, der militante Rechtsradikale in seiner Regierung hat, ist das Realpolitik. Verhandelt die alte Friedensbewegung mit den neuen Montagsmahnwachen, macht sie Nazis hoffähig. Haben politische Eliten keine Lösung für einen Konflikt, ist dessen Komplexität der gute Grund dafür. Hat die Friedensbewegung keine parat, ist sie überflüssig.
Wie ist dieses Verhalten der Medien zu erklären? Zumal es Zeiten gab, in denen Friedensbewegten weit weniger Ignoranz und Feindseligkeit von Journalisten entgegenschlug, vor allem im Vorfeld des Irakkrieges. Der Schlüssel liegt in der Elitenorientierung der Leitmedien. Sie tendieren dazu, sich an den herrschenden Elitendiskurs zu halten und dessen Prämissen nicht zu hinterfragen - wohl um sich die Arbeit zu erleichtern und um Konflikte mit Geld- und Machteliten zu vermeiden. Diskussionen über Außenpolitik, die wir medial miterleben dürfen, sind fast immer Diskussionen zwischen Eliten. Gibt es aber einen Konsens unter diesen Eliten, haben es zivilgesellschaftliche Kräfte schwer, die diesen Konsens herausfordern.
So lagen die Demonstranten, die im Winter 2002/2003 gegen den heraufziehenden Irakkrieg protestierten, auf einer Linie mit der Regierung und wurden entsprechend freundlich behandelt. Im Winter 2014/15, in dem die Ukraine-Krise und die Konfrontation mit Russland viele Menschen beunruhigt, steht die politische Elite in Deutschland Seit‘ an Seit‘ mit den USA hinter der Kiewer Regierung und dem Ziel einer Westintegration der Ukraine. Im Hintergrund läuft ein »Verantwortungsdiskurs«, der darauf abzuzielen scheint, Militäreinsätze der Bundeswehr im Ausland zu normalisieren. Paradigmatisch dafür stehen die Reden von Joachim Gauck, Frank-Walter Steinmeier und Ursula von der Leyen auf der Münchner Sicherheitskonferenz 2014 und das vorangegangene Projekt »Neue Macht, neue Verantwortung« der Stiftung Wissenschaft und Politik und des »German Marshall Fund of the United States« - in das auch Journalisten von »FAZ« und »Zeit« eingebunden waren.
Eine Nähe wichtiger Medienmacher zu US- und NATO-nahen Organisationen hat eine Netzwerkanalyse von 2002 bis 2009 ergeben. Leitende Redakteure von »Süddeutscher Zeitung«, FAZ, »Welt«, »Zeit« und »Bild« fanden sich als Mitglieder, Beiräte, Kuratoren, Präsidiumsmitglieder oder Vorstände von Netzwerken nach Art der einflussreichen Atlantik-Brücke. In den wichtigsten deutschen Zeitungen haben offenbar Transatlantiker die Lufthoheit und setzen sich in ihren Artikeln für die entsprechenden Agenden ein, etwa für die Verwendung eines »erweiterten Sicherheitsbegriffs«, eine enge Anbindung an die USA und stärkeres militärisches Engagement Deutschlands in der Welt.
Kritik an dieser Nähe vermag Bewusstsein und Rollenverständnis beeinflussen - eine Trendwende ist dadurch schwer vorstellbar. Denn große Medien, die den Anspruch haben, den Elitendiskurs aktuell und detailliert abzubilden, brauchen dafür immer Quellen aus der Elite, die ihnen O-Töne und Interviews geben, darüber hinaus sind Medieneigentümer oder Aufsichtsräte oft (Geld-)Eliten, andere Eliten (Konzernmanager) sind Werbekunden jener Medien, und Eliten sind auch die Zielgruppe, die Prestige-Medien kaufen soll und die wegen ihrer Kaufkraft für die Werbekunden interessant ist.
Vielleicht schafft es die Friedensbewegung daher im gegenwärtigen Meinungsklima nicht, ihrer Militärkritik mediales Gehör zu verschaffen. Eine Chance für sie liegt aber womöglich in den konstruktiven Alternativen zu Militäreinsätzen, die sie zu bieten hat. Seit einiger Zeit gibt es eine kleine Bewegung im Journalismus, »lösungsorientiert« zu berichten: gelingende Initiativen und zukunftsweisende Modelle vorzustellen und die Menschen nicht nur mit »bad news« zu deprimieren, sondern mit »constructive news« zum Handeln zu inspirieren. Von diesem Trend könnten Akteure aus dem Feld der zivilen Konfliktbearbeitung profitieren. Dafür braucht es natürlich Journalisten, die sich in den Redaktionen für das Thema einsetzen, und Rezipienten, die solche Berichte aktiv einfordern.
Und noch ein Hoffnungsschimmer: Seit 2010 gibt es im Bundestag den Unterausschuss für zivile Krisenprävention, Konfliktbearbeitung und vernetztes Handeln. Mit dabei sind Abgeordnete, die aus der Friedensbewegung stammen, wie Ute Finckh-Krämer (SPD) oder Kathrin Vogler (LINKE). Für die Basis könnte das ein Anknüpfungspunkt sein. Und wenn es über diesen Ausschuss gelänge, mehr Geld aus dem Bundeshaushalt in die zivile Konfliktbearbeitung zu lenken, können damit mehr Projekte finanziert werden, die vielleicht eine angemessene mediale Aufmerksamkeit erringen.
Dr. Uwe Krüger ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Abteilung Journalistik der Universität Leipzig und Autor des Buches »Meinungsmacht. Der Einfluss von Eliten auf Leitmedien und Alpha-Journalisten - eine kritische Netzwerkanalyse«, die 2013 im Herbert von Halem Verlag erschienen ist.
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