Russisch oder ukrainisch?
Zumindest im Fußball soll für die Krim eine Lösung gefunden werden - mit einer eigenen Liga für die Halbinsel
Wenn es ein Thema gibt, auf das der europäische Fußballverband UEFA ganz gerne verzichten würde, dann ist es wohl die Krim. Sportlich gesehen spielte die Halbinsel am Schwarzen Meer nie eine große Rolle: Tawrija Simferopol, erster Meister der unabhängigen Ukraine, mischte zwar ab und zu im Europapokal mit, war aber europaweit nur jener Minderheit bekannt, die sich an osteuropäischem Fußball ergötzen kann. Ansonsten war die Krim ein leeres Blatt, für das sich kaum einer richtig interessierte. Doch seit der Annexion der Halbinsel durch Russland, die im März 2014 die geopolitische Weltlage grundsätzlich veränderte, muss auch die UEFA eine passende Antwort auf die Frage suchen, die Millionen von Russen und Ukrainern spaltet. Nämlich: Ist die Krim eigentlich russisch oder ukrainisch?
Die Suche nach einer Antwort ist auch im Fußball für alle Beteiligten äußerst unangenehm. So für den russischen Verband RFU, der im vergangenen August gegen den Willen der ukrainischen Seite die Krimvereine in seine dritte Liga aufnahm und damit gegen die Statuten der UEFA und FIFA verstieß. Fast ein halbes Jahr spielten die neu gegründeten Klubs SKChF Sewastopol, TSK Simferopol und Schemtschuschina Jalta in der russischen Meisterschaft mit, bis sie im Dezember von der UEFA ausgeschlossen wurden. Manch einer in Moskau atmete auf - die RFU wurde für die Aufnahme der Krimklubs von der UEFA nicht bestraft, obwohl sogar ein Ausschluss des russischen Verbandes möglich gewesen wäre.
Die UEFA-Entscheidung könnte einerseits das Todesurteil für Profifußball auf der Halbinsel bedeuten. Anderseits ist es auch eine Chance, denn die Krim wurde vom europäischen Verband gleichzeitig zu einer »Sonderzone« erklärt, die sowohl vom russischen als auch vom ukrainischen Verband unabhängig werden sollte. Um diesen schwierigen sportrechtlichen Fall zu lösen, gründete die UEFA eine Sonderkommission, die Anfang März die Krim besuchte. Der slowakische Funktionär František Laurinec, der diese Kommission anführt, hat persönliche Erfahrungen mit solchen Situationen: »1968 dachten wir in der Tschechoslowakei auch, alles sei vorübergehend. Am Ende dauerte es über 20 Jahre.«
Laurinec sagt, es sei das Wichtigste, dass der Krimfußball diese schwierigen Zeiten überlebt. Sein Vorschlag ist eine unabhängige Liga, die vom Krim-Verband veranstaltet wird. Doch bis dahin ist es noch ein langer Weg: Die Krim war zwar ein großes Thema am Rande des UEFA-Kongresses in Wien vor einer Woche - auch der russische Sportminister Witalij Mutko war anwesend und hat für den Fußball auf der Halbinsel geworben. Eine offizielle Entscheidung wird aber wohl nur dann getroffen, wenn der Status der Krim-Spieler zusammen mit der FIFA geklärt wird. Allerdings könnte das noch Monate dauern.
»Für die Spieler müssen wir zusammen mit der FIFA eine gute Variante für diese Zwischenzeit finden, die tatsächlich funktionieren wird«, erklärt Laurinec, der allerdings keine allzu großen Hoffnungen verbreiten will: »Wir wollen nichts versprechen, was weit von der Realität entfernt wird. Vor allem Kinder müssen die Chance haben, Fußball zu spielen.« Heute sind sie faktisch nicht spielberechtigt, denn alle Kinder ab zehn Jahren sollten beim ukrainischen Verband FFU registriert sein.
»Unser Konzept wurde von der UEFA positiv bewertet«, freut sich Alexander Krassilnikow, Präsident bei SKChF Sewastopol. Er rechnet mit dem Beginn einer eigenen Krimliga frühestens im August. Alexander Gajdasch, Generaldirektor von TSK Simferopol, äußert sich ähnlich: »Ich würde mir wünschen, dass die Meisterschaft im August beginnt.« Es bleiben aber viele Fragen offen, die auch den UEFA-Vertreter Laurinec pessimistisch stimmen. Im Idealfall sollen an der Krimmeisterschaft acht Teams teilnehmen, doch sogar Gajdasch und Krassilnikow räumen ein, dass es im Moment höchstens sechs Mannschaften gebe, die dafür bereit wären. Auch die Infrastruktur bereitet Probleme: Abgesehen von Simferopol und Sewastopol gibt es auf der Krim nur wenige Städte, die über ein modernes Stadion verfügen. Das Geld für mögliche neue Stadien soll aber aus Russland kommen und auch der Verbandschef der Krim wird wohl vom russischen Sportministerium bestimmt werden. So richtig unabhängig scheint die Krimliga also nicht wirklich zu sein.
»Angesichts der beklagenswerten Lage, in der sich der Krimfußball befindet, zweifele ich, ob man eine professionelle Liga auf die Beine stellen kann. Vielleicht halbprofessionell«, räsoniert František Laurinec. Der Slowake hält es deswegen für verfrüht, über eine mögliche Europapokal-Teilnahme der Krimklubs zu spekulieren. Auch der ukrainische Verband, der der Gründung einer Krimliga zugestimmt hat, positioniert sich dagegen.
Klar ist aber: Die UEFA muss in diesem Einzelfall besonders aufpassen, denn jede Entscheidung kann grundlegende sportrechtliche Folgen haben. In den nächsten Wochen wird sich die Führung des Krimfußballs mit den Vertretern der UEFA und FIFA treffen. Auch eine erneute Reise der UEFA-Kommission von Laurinec auf die Halbinsel ist geplant. Womöglich ein nächster kleiner Schritt für den Fußball auf der Krim.
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