Koalitionspolitiker rebellieren gegen Fracking
Kabinett beschließt Regelungen für die umstrittenen Bohrungen / Teile von Union und SPD fordern Änderungen
Bereits kurz nach dem Beschluss des Bundeskabinetts zum Fracking meldeten sich zahlreiche Kritiker zu Wort. Diese befinden sich nicht nur in Umweltverbänden und Oppositionsparteien. Auch in den Reihen der Großen Koalition ist der Widerstand erheblich. Der CDU-Abgeordnete Andreas Mattfeldt erklärte, dass »der Gesetzentwurf in dieser Form für zahlreiche Kollegen nicht zustimmungsfähig« sei. Mehr als hundert Parlamentarier in der Unionsfraktion würden das Vorhaben ablehnen. Vielen von ihnen gehen die geplanten Einschränkungen des Frackings zur Gewinnung von Gas und Öl nicht weit genug. Mattfeldt verlangte, dass die Zahl der erlaubten Probebohrungen zu wissenschaftlichen Zwecken auf acht begrenzt werden müsse, damit kein Flickenteppich mit flächendeckenden Bohrungen entstehe. Zudem forderte der CDU-Politiker Regeln für den Umgang mit dem Lagerstättenwasser, das beim Fracking als Abfallprodukt entsteht und mit Benzolen und Quecksilber belastet ist.
Mit der Fracking-Technologie ist es möglich, Erdöl- und Erdgasvorkommen zu fördern, die so tief in Gesteinsschichten liegen, dass man bisher nicht an sie herankommen konnte. Diese Bohrungen sind ein großer Eingriff in die Natur. Denn dabei wird neben Wasser und Sand auch ein Chemikaliengemisch in den tiefen Untergrund gepresst. Das Gestein bricht dann auf, Gas und Öl können entweichen.
Umweltverbände befürchten auch negative Folgen für das Trinkwasser. Diese Auswirkungen sollen durch die in dem Gesetzentwurf festgelegten Verbotszonen eingeschränkt werden. Diese erstrecken sich nun auch auf Einzugsgebiete von Wasserentnahmestellen für die öffentliche Wasserversorgung sowie auf Brunnen nach dem Wassersicherstellungsgesetz, Trinkwassergewinnungsgebiete und Talsperren. Der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) sieht in der Erweiterung der sogenannten Ausschlussgebiete, in denen Fracking grundsätzlich nicht gestattet ist, »einen wichtiger Schritt hin zu einem umfassenden Wasserschutzgesetz«, wie VKU-Hauptgeschäftsführer Hans-Joachim Reck mitteilte.
Kritisch bewertete der VKU ebenso wie Politiker der SPD allerdings die mögliche Einsetzung einer Expertenkommission. Der Gesetzentwurf sieht vor, dass über Fracking geforscht werden darf und eine Expertenkommission in Ausnahmefällen kommerzielles Fracking von Energiekonzernen ab 2019 erlauben kann. Diese Kommission dürfe nicht die Entscheidung des Bundestags ersetzen, heißt es bei den Sozialdemokraten. Der SPD-Parlamentarier Frank Schwabe bezeichnete das geplante Gremium als »Zugeständnis an die Gasunternehmen«. Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) wies darauf hin, dass die Kommission von Teilen der Union und des Kanzleramts in den Entwurf hineinverhandelt worden sei. Hendricks hätte offenkundig kein Problem damit, wenn die Pläne in den parlamentarischen Beratungen wieder gestrichen werden. Die Kommission könnte auch bestehende Regelungen aushebeln. »Fracking soll in Schiefer- und Kohleflözgestein oberhalb von 3000 Metern Tiefe vorläufig untersagt werden. Doch kann die zuständige Landesbehörde Fracking auch oberhalb von 3000 Metern Tiefe zulassen, wenn eine Expertenkommission dies als unbedenklich einstuft«, erklärte der LINKE-Abgeordnete Hubertus Zdebel. Unkonventionelle Gasvorkommen liegen meist bei 1000 bis 2000 Metern.
Ein Verbot der Technologie, wie es LINKE und Grüne fordern, kommt für Hendricks nicht in Frage. Die Ministerin meinte, dass ein Frackingverbot möglicherweise vom Bundesverfassungsgericht wieder gekippt werden könnte. Sie verwies auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sowie auf die im Grundgesetz verankerte Forschungs- und Gewerbefreiheit. Den Einwand, dass Deutschland sich auch per Gesetz von der Atomenergie verabschiedet, wollte Hendricks nicht gelten lassen. Obwohl schon heute die Folgen von Fracking absehbar sind, behauptete sie einfach, diese Methode sei im Unterschied zur Atomenergie noch kaum erforscht.
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