»Diese Stadt lebt das Fechten«
Florettfechterin Eva Hampel über Tauberbischofsheim und den 40. Meistertitel in Folge
nd: Glückwunsch zum Meistertitel mit dem FC Tauberbischofsheim am Wochenende. War’s denn überhaupt spannend?
Eva Hampel: Sehr spannend. Zwei unserer besten Fechterinnen waren nämlich verletzt ausgefallen. Und es gab natürlich den Erwartungsdruck: Wir wollten den 40. Titel in Folge nach Hause holen. Aber am Ende haben wir es mit unserer neu zusammengesetzten Mannschaft gerissen!
Wären Sie ohne Titel nach Hause gekommen, hätten Sie wohl vorerst nicht mehr ohne Polizeischutz durch Tauberbischofsheim laufen können, oder?
Wir haben versucht, uns nicht so verrückt zu machen. Aber es war schon im Hinterkopf: Ich habe so viele Vorgängerinnen, die echt große Titel nach Hause gebracht haben. Es wäre jetzt echt schade gewesen, die Serie zu unterbrechen. Diese Stadt lebt das Fechten. Als ich mit 18 hierhergekommen bin, ging ich in eine Pizzeria und das erste, was ich da bestellt habe, war eine »Fechter-Pizza«.
Eva Hampel gehört zur Frauen-Florettmannschaft des FC Tauberbischofsheim, die gerade zum 40. Mal in Folge den Titel Deutscher Meister gewinnen konnte. Die 22-Jährige, die in Würzburg Spanisch, Italienisch und Englisch studiert, erklärte nd-Redakteur Jirka Grahl, was die Tauberbischofsheimerinnen so erfolgreich macht.
Sagt Ihnen der Name Erich Mielke etwas?
Nein, nicht direkt.
Das war der Chef der Stasi. Sein Lieblingsfußballklub war der BFC Dynamo, der zehnmal in Folge DDR-Meister wurde. Über den BFC hieß es immer: Der Mielke hat geholfen, hat die Schiedsrichter bestochen und Einfluss genommen. Zehnmal in Folge, da können Sie nur lachen in Tauberbischofsheim, oder?
So etwas gibts hier natürlich nicht, im Gegenteil, wir trainieren hart und jeder bringt sein Bestes ein.
Wer sorgt denn dafür, dass ihr Verein seit 40 Jahren alles gewinnt?
Das ist ein riesiges Team. Nicht nur am Olympiastützpunkt, sondern auch im Fechtverein: alle zusammen, Trainer, Vorstand, Fechter, Physiotherapeuten und alle anderen eben auch, die Waffenwärter usw. Wir sind wirklich ein Riesenteam. Ich trainiere jetzt seit vier Jahren hier, ich komme ursprünglich aus dem Allgäu. Ich finde das noch immer faszinierend, wie groß hier alles angelegt ist.
Es gibt aber schon so einen Übervater des Fechtens in Tauberbischofsheim: der 2006 verstorbene Emil Beck, der Friseurmeister, der 1951 Fechten in einer Wochenschau im Kino gesehen hatte und bald darauf anfing, Schüler im Heizungskeller der Stadthalle zu trainieren. Er machte die Stadt in Mainfranken nach und nach zu einer Art Weltzentrum des Fechtens ...
Ja natürlich. Der hat das alles auf die Beine gestellt.
Steht denn die Stadthalle noch?
Oje, Sie fragen Sachen. Ich denke schon, ich trainiere zwar hier in Tauber, aber so gut kenne ich mich gar nicht aus.
So oder so ist das Trainingszentrum vermutlich viel größer als die Stadthalle mit ihrem Fechtkeller...
Wir haben wirklich beste Bedingungen hier, drei Fechthallen, eine große Haupthalle, ein Schwimmbad mit Sauna und ein Vital-Zentrum zum Regenerieren.
Haben Sie es mit Ihrem Meistertitel eigentlich ins Fernsehen geschafft? In die ARD-Sportschau womöglich?
Nein. Wir standen in der »Süddeutschen« mit einem kleinen Artikel. Wir sind eben eine Randsportart. Sobald aber irgendetwas über uns im Fernsehen kommt, sprechen mich sofort die Leute an.
25 000 Mitglieder hat der Deutsche Fechterbund namens DFB, fast sieben Millionen hat der Fußballverband namens DFB. Ist die teure Ausrüstung ein Hemmnis, anzufangen?
Möglicherweise. Ein Florett kostet zusammengebaut etwa 100 Euro, eine komplette Ausrüstung bis zu 1000 Euro. Eigentlich haben nur jene Vereine eine Chance auf Nachwuchs, die den Anfängern eine Ausrüstung stellen können. So war’s auch bei mir, als ich in Kempten im Allgäu mit dem Fechten angefangen habe.
Bis heute gehört Fechten zur Schauspielausbildung, auch Manager werden zur mentalen Stärkung in Fechtkurse geschickt. Was lernt man beim Fechten besonders gut?
Natürlich profitiert man vor allem in Sachen Koordination und Ausdauer, aber auch in Sachen Disziplin. Unsere Fechtbambini beispielsweise müssen erst sehr lange die Beinarbeit üben, bevor sie wirklich eine Waffe in die Hand bekommen.
Im Juni starten die Fechterinnen und Fechter auch bei den Europaspielen in Baku. Gelingt dort noch einmal so etwas wie im Frauen-Florett bei Olympia 1988, als Gold, Silber und Bronze an Fechterinnen aus Tauberbischofsheim ging?
Drei auf einmal sind wohl wirklich ein bisschen viel. Aber mindestens eine von hier sollte eine Medaille holen.
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