Athen: Proeuropäische Haltung Griechenlands gesichert
Parlament untersucht Ursachen der Schuldenkrise / Oppositionelle Nea Demokratia und Pasok gegen Aufklärung / Grüne rechnen mit drittem Kreditprogramm für Griechenland / Finanzminister Varoufakis beim IWF
Update 15.45 Uhr: Der CDU-Wirtschaftsrat hat sich gegen verfrühte Zusagen ausgesprochen, was ein mögliches drittes Kreditprogramm für Griechenland angeht. Der Generalsekretär des Gremiums, Wolfgang Steiger, reagierte gegenüber AFP damit auf Aussagen der Grünen-Politikerin Katrin Göring-Eckardt, diese »verdirbt die Moral in Europa«. Die Grünen warnte er, »nicht wieder in die gleichen Fehler zu verfallen wie vor zwei Jahren«, als sie sich für Eurobonds und damit eine Vergemeinschaftung von Schulden in der Eurozone eingesetzt hätten. Es müsse die Linie gelten: »Hilfe gegen Reformen«, sagte Steiger - die so genannten Hilfen sind umstritten, weil sie der Bevölkerung kaum zugute kommen und mit Kürzungsdiktaten verbunden wurden. Außerdem hat die angebliche »Rettungspolitik« Griechenland bisher sichtbar nicht retten können. Steiger verlangte Reformen von der SYRIZA-geführten Regierung, nur wenn diese »konkret und verbindlich« seien, sei ein drittes Kreditprogramm denkbar. Athen will kein drittes Kreditpaket, sondern einen europäischen New Deal für Wachstum und sozialen Ausgleich.
Update 14 Uhr: Die SYRIZA-geführte Regierung in Griechenland hofft in den Verhandlungen mit den internationalen Kreditgebern auf eine baldige Einigung. »Alle Seiten betonen, dass erhebliche Fortschritte erzielt wurden«, sagte der Athener Regierungssprecher Gabriel Sakellaridis der Sonntagszeitung »Eleftheros Tipos tis Kiriakis«. »In den Verhandlungen ist noch ein Weg zurückzulegen. Aber ich glaube, dass wir sehr bald zu einem Übereinkommen gelangen werden.« Griechenland hatte der EU eine Reihe von Reformvorschlägen vorgelegt, um die Freigabe ausstehender Kredittranchen zu erreichen. Die Gläubiger hielten die Vorschläge aber bislang für unzureichend. Der griechische Finanzminister Yanis Varoufakis wollte am Sonntag in Washington mit der Chefin des Weltwährungsfonds (IWF), Christine Lagarde, zusammenkommen. »Das Treffen steht im Rahmen der Verhandlungen, die die griechische Regierung mit allen beteiligten Institutionen führt«, sagte Sakellaridis. Der Regierungssprecher wies Befürchtungen zurück, die anstehende Russlandreise von Ministerpräsident Alexis Tsipras könnte eine Distanzierung Griechenlands von der EU bedeuten. »Die proeuropäische Haltung Griechenlands ist gesichert«, sagte Sakellaridis dem TV-Sender Mega. Der Tsipras-Besuch in Moskau an diesem Mittwoch solle den bilateralen Beziehungen zwischen Griechenland und Russland dienen.
Parlament untersucht Ursachen der Schuldenkrise
Berlin. In einem Untersuchungsausschuss will das griechische Parlaments herausfinden, wer für die Schuldenkrise des Landes verantwortlich war. Das Gremium nahm am Samstag mit einer feierlichen Sitzung, an der auch Staatspräsident Prokopis Pavlopoulos und Ministerpräsident Alexis Tsipras teilnahmen, in Athen seine Arbeit auf. Griechenland habe als Mitglied der Eurozone internationale Verpflichtungen übernommen, betonte der Präsident. Aber das Land habe auch das Recht auf eine nationale Souveränität. Die Opposition war gegen die Einrichtung des Ausschusses gewesen. Die Untersuchungen sollen die Amtszeit des sozialdemokratischen Regierungschefs Giorgos Papandreou (2009 bis 2011), des parteilosen Übergangs-Regierungschefs Lucas Papademos (2011 bis 2012) und die Amtszeit der Koalitionsregierung der konservativen Nea Demokratia und der Pasok (Juni 2012 bis Januar 2015) unter dem damaligen Premier Antonis Samaras betreffen.
Menasse kritisiert »Hetze« der Medien gegen Griechen
Athen: Alles wird gezahlt - Griechische Regierung weist Zweifel an Rückzahlung einer IWF-Kreditrate zurück / Auch Zahlung von Renten und Gehälter nicht gefährdet / Wagenknecht: SYRIZA »wird nicht auf alten Kurs einschwenken« - Der Newsblog vom Samstag zum Nachlesen
Derweil rechnet Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt mit einem weiteren Kreditprogramm für Griechenland. »Wir sollten uns alle auf ein drittes Hilfspaket einstellen«, sagte sie der »Welt am Sonntag«. »Ich sehe nicht, dass Griechenland schon im Frühsommer auf eigenen Beinen steht.« Göring-Eckardt zeigte sich irritiert über die zahlreichen Nein-Stimmen aus der Unionsfraktion bei der Verlängerung des zweiten Kreditprogramms Ende Februar und bot Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ihre Unterstützung an. Falls ein drittes Programm tragfähig sei, würden die Grünen ihrer Verantwortung gerecht werden. »Für uns steht die Politik für Europa im Vordergrund und nicht die Oppositionsrolle«, sagte die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag.
Göring-Eckardt warnte zugleich die griechische Regierung vor einer Annäherung an Russland. Athen sei »gut beraten, für kurzfristige Vorteile nicht die Spaltung Europas zu riskieren«, sagte sie vor der Moskau-Reise des griechischen Ministerpräsidenten Alexis Tsipras am Mittwoch. Sie könne verstehen, wenn Tsipras mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin über günstigere Energiepreise oder die Sanktionen gegen Moskau wegen der Ukraine-Krise reden wolle. »Was allerdings gar nicht geht, ist der Versuch, Griechenland zwischen Europa und Russland zu positionieren.« Ein solches Vorhaben hatte die SYRIZA-geführte Regierung in Athen allerdings gar nicht erklärt.
Der griechische Finanzminister Yanis Varoufakis reiste derweil zu Gesprächen mit der Chefin des Weltwährungsfonds (IWF), Christine Lagarde, nach Washington. Griechenland muss am kommenden Donnerstag einen fälligen Kredit von rund 450 Millionen Euro an den IWF zurückzahlen. Wie das Athener Finanzministerium am Samstag mitteilte, soll das Treffen am Sonntag stattfinden. Bei den informellen Gesprächen solle die Reformliste der griechischen Regierung erörtert werden, die seit Tagen diskutiert wird. Sie ist die Voraussetzung dafür, dass die Gläubiger Griechenlands aus dem laufenden Kreditprogramm eine weitere Rate auszahlen - was seit August 2014 nicht mehr geschehen ist. Dagegen hatte Athen alle Verpflichtungen pünktlich und vollständig zurückgezahlt. Agenturen/nd
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