Grüne fordern nach Tröglitz mehr Geld für Kampf gegen Rechts
Landrat erhält nach Enthauptungsdrohungen Personenschutz / Nach Anschlag auf Flüchtlingsheim: Täter weiter unbekannt / Flüchtling sollen trotz Anschlags nach Tröglitz kommen
Update 14.32 Uhr: Nach dem Brandanschlag auf eine geplante Flüchtlingsunterkunft in Tröglitz (Sachsen-Anhalt) haben die Grünen politische Konsequenzen auf Bundesebene gefordert. »Allein mit einem Verbot der NPD ist menschenverachtendes, rassistisches Denken nicht aus den Köpfen herauszubekommen. Wir müssen den Kampf gegen Rechts verstärken und dafür mehr Mittel bereitstellen«, sagte der Vorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion, Anton Hofreiter, den Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Dienstag).
So forderten die Grünen seit langem, dass die Mittel im Bundesprogramm »Demokratie leben« um 10 Millionen auf mindestens 50 Millionen Euro erhöht würden. Zugleich müsse der Bund die Länder und Kommunen auch stärker bei der Aufnahme, Integration und Versorgung der Asylsuchenden unterstützen.
Update 13.01 Uhr: Trotz des Brandanschlags auf ein noch nicht bezogenes Flüchtlingsheim in Tröglitz (Burgenlandkreis) sollen im Ort sobald wie möglich erste Asylsuchende aufgenommen werden. Vorerst sei geplant, zehn bis zwölf Flüchtlinge in privaten Wohnungen unterzubringen, sagte Sachsen-Anhalts Innenminister Holger Stahlknecht (CDU) am Montag der Deutschen Presse-Agentur. Zudem veranlasste Stahlknecht, den für die Asylpolitik im Kreis zuständigen Landrat Götz Ulrich (CDU) unter besonderen Schutz zu stellen.
Der Tröglitzer Pfarre Matthias Keilholz stellt die Sicherheit von Asylbewerbern auf Dauer infrage. Bereits jetzt fahre die Polizei regelmäßige Streifen, was auch nötig sei, sagte er am Montag dem Evangelischen Pressedienst (epd). »Das wird noch auf lange Sicht so bleiben müssen.« Die Frage, ob Asylbewerber nun tatsächlich in Tröglitz untergebracht werden sollen, sei nicht mehr so einfach zu beantworten.
Erst wird der Bürgermeister von Tröglitz durch Rechtsradikale mit dem Tod bedroht. Dann wird ein Brandanschlag auf eine Flüchtlingsunterkunft verübt. Nun ist der Landrat ins Visier der Rassisten und Neonazis gerückt: CDU-Landrat Götz Ulrich erhält Drohungen, in dem ihm »Methoden der Französischen Revolution angedroht werden« - gemeint ist offenbar eine Enthauptung. Er erhalte Emails, sagte er dem Sender ntv, in denen stehe »so etwas wie: Ob das jetzt nicht genüge, was in Tröglitz passiert ist. Oder ob man weitere Maßnahmen ergreifen müsse, dass von der Unterbringung der Asylbewerber Abstand genommen wird.«
Auf die Frage, ob Politik die Kontrolle über die Situation entglitten sei, sagte Ulrich: »Ich weiß nicht, ob man in dieser Situation die Kontrolle überhaupt jemals haben kann. Die Rechten versuchen, mit einem Kräftemessen zu verhindern, dass Asylbewerber herkommen.« Seit Wochen machen Neonazis und Rassisten in Tröglitz Stimmung gegen die Aufnahme von Flüchtlingen. Anfang März war der ehrenamtliche Bürgermeister Markus Nierth (parteilos) von rechtsradikalen Anfeindungen aus dem Amt gedrängt worden - er erhielt Morddrohungen. In der Nacht zum Karfreitag brannte dann eine Asylunterkunft.
Nach dem Anschlag auf ein fast fertiges Flüchtlingsheim in Tröglitz ist weiter unklar, wer das Haus in Brand setzte. Mit Nachdruck würden die Ermittlungen über Ostern fortgesetzt, teilte die Staatsanwaltschaft Halle mit. Nähere Angaben machte die Behörde nicht. Die Spurensicherung am Brandort ist laut Polizei inzwischen abgeschlossen. Das Feuer war in der Nacht zum Samstag in dem Haus im Süden Sachsen-Anhalts gelegt worden. Es zerstörte den Dachstuhl. Ob Rassismus das Motiv war, ist noch unklar. Die Ermittler halten einen politischen Hintergrund aber für naheliegend. 40 Flüchtlinge hätten im Mai in Tröglitz vorerst ein Zuhause finden sollen. Wann das Gebäude wieder bewohnbar ist, blieb unklar.
Der Pfarrer von Tröglitz, Matthias Keilholz, berichtete am Sonntag, dass es eine »große Betroffenheit« unter den Gemeindemitgliedern gebe. In der Begrüßung zum Ostergottesdienst sei er auf den Brandanschlag eingegangen. »Unter dem dunklen Eindruck der Geschehnisse ist es umso wichtiger, Ostern zu feiern und den Mut und die Hoffnung für die Weiterarbeit neu zu gewinnen«, fügte der evangelische Pfarrer hinzu. Am Samstagnachmittag hatten bereits mehrere hundert Menschen in dem Ort für ein weltoffenes Tröglitz demonstriert. Auch Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) und Landespolitiker der Linken nahmen daran teil. Die Migrationsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoguz (SPD), sagte am Sonntag laut Mitteilung: »Wir alle müssen den Tätern zeigen, dass sie mit ihrem Hass alleine stehen.«
Der thüringische SPD-Landesvorsitzende Andreas Bausewein forderte derweil, Rassismus und Rechtsextremismus schon im Keim zu ersticken. »Es braucht den Aufstand aller Demokraten schon bei kleinsten Anzeichen«, sagt er am Sonntag in Erfurt mit Blick auf den Brandanschlag auf die geplante Flüchtlingsunterkunft in Tröglitz (Sachsen-Anhalt) und der Beschädigung der KZ-Gedenkstätte im Jonastal bei Arnstadt. »Nur wer Fremdenfeindlichkeit und rechtsextremistischem Gedankengut im frühesten Stadium - auch im Alltag - entgegentritt, der wird solche Taten in Zukunft verhindern können«, sagte er.
Unbekannte hatten am Samstag das Mahnmal für ein früheres Außenlager des KZ Buchenwald in Jonastal angegriffen. Laut Thüringer Polizei wurden am Samstag eine Gedenktafel und ein Blumengebinde im Jonastal bei Arnstadt beschädigt. Die Tafel war gerade neu gestaltet worden, das Gebinde bei einer Gedenkveranstaltung niedergelegt worden. Die Polizei vermutet einen rechtsmotivierten Hintergrund. Es gebe aber noch keinen Verdächtigen, sagte ein Polizeisprecher am Sonntag in Gotha. Es werde wegen Sachbeschädigung ermittelt, Spuren seien bereits gesichert. Agenturen/nd
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.
Vielen Dank!