»Ich gehe mit Glasperlen auf Wählerfang«

Im Herbst bestimmen die Kölner ihren neuen OB - »Dr. Made« bewirbt sich mit dem Projekt K 21: Verlegung des Hauptbahnhofs unter den Dom

  • Frank Christiansen
  • Lesedauer: 3 Min.
Er ist der berühmteste Kriminalbiologe Deutschlands. Sein Faible für Insekten, die Leichen besiedeln, hat ihm den Spitznamen »Dr. Made« eingebracht. Nun kandidiert er für das Amt des OB von Köln.

Köln. »Dr. Mark Benecke« steht in nüchternen Lettern auf dem Messingschild am Eingang eines Hauses in der Kölner Südstadt. Das Büro ist in dunklem Holz gehalten, neben dem Schreibtisch lässt ein mannsgroßes Skelett die fahlen Knochen baumeln. Der Mann ist stark tätowiert und trägt Springerstiefel. Als Haustiere hält er sich Madagaskar-Fauchschaben. Gestatten: »Dr. Made« alias Mark Benecke, Deutschlands populärster Kriminalbiologe.

Der 44-jährige Paradiesvogel hegt inzwischen politische Ambitionen: Er kandidiert für das Amt des Oberbürgermeisters in seiner Heimatstadt Köln. Mit der Satirepartei Die Partei tritt Benecke bei der Wahl am 13. September für den Spitzenposten in Deutschlands viertgrößter Stadt an. »Einer muss es ja machen«, sagt er. Von seiner jahrelangen bundesweiten Medienpräsenz können die anderen Kandidaten nur träumen. Der Kandidat verspricht: »Wir grätschen richtig fett rein. Wir haben den ganzen Keller voll Wahlkampfpulver.« Griechische und isländische Sympathisantinnen hätten die Wahlkampfkasse prall gefüllt.

Bislang galt Beneckes Vorliebe dem Tod in seinen besonders dunklen Facetten. Seine Kandidatur sieht er aber nicht im Widerspruch, sondern als logische Fortsetzung: »Der Verfall der Stadt reizt mich. Wo früher das Stadtarchiv war, ist jetzt ein stinkender Algenteppich. Im Sumpf blühen bekanntlich die schönsten Blüten - die Farben und Formen des Zwielichts.«

Benecke sieht sich in der Tradition von Batman, schließlich sei Köln wie Gotham City »eine dieser Städte, die vom Klüngel zersetzt werden«. Er selbst werde daran nach der Machtübernahme aber nichts ändern, im Gegenteil: »Alle Parteimitglieder aus Köln mit höchstens vierstelliger Mitgliedsnummer bekommen einen Versorgungsposten.« Seine Kandidatur ist auf den ersten Blick ein großer Spaß: »Ich gehe mit Glasperlen auf Wählerfang. Die glitzern besonders schön. Wir sind die einzige ehrliche Partei. Wir blenden die Leute zwar wie die anderen Parteien auch, aber eben ganz offensichtlich.«

Das Wahlprogramm schwankt zwischen Satire und Klamauk: »Karneval im Sommer«, »stilettogerechtes Straßenpflaster«, »die Verlegung des Kölner Hauptbahnhofs unter den Kölner Dom - K 21« und »Hanfanbau am Militärring«. Alte Feindbilder werden gepflegt: »Düsseldorf wird eingemauert, wenn ich OB werde.« Einen politischen Dauerbrenner in der Domstadt möchte Benecke dagegen rasch beenden: »Die U-Bahn baue ich selber zu Ende, weil das einfach schneller geht.«

»Mit seinen abstrusen Forderungen nimmt er die etablierten Parteien aufs Korn und bringt Feuer in den Wahlkampf«, sagt der Kölner Politikwissenschaftler Prof. Frank Überall. »Ich finde den Ansatz ganz spannend. Er ist als Außenseiter ein amüsanter Stachel, durchaus reflektiert und gibt Denkanstöße. Die Abgründe des politischen Lebens in Köln sind real.« Benecke »lenkt den Blick auf die Gefahr der Käuflichkeit der Politik«.

In den 1990ern hatte Benecke für Furore gesorgt, als er in Russland Adolf Hitlers Totenschädel untersuchen und als echt hatte einstufen können. Seine Expertise hat er zu zahlreichen, teils spektakulären Kriminalfällen beigesteuert - inzwischen sind es fast 1000. Die Kölner erinnerten ihn mit ihrem »fatalistischen Opportunismus« stark an die Menschen in Kolumbien, genauer gesagt in Medellin, jener kolumbianischen Stadt, die Jahrzehnte in der Hand der Drogenmafia war. Auf seiner Gürtelschnalle trägt er diese Grundhaltung selbst vor sich her - ein Artikel des »Kölschen Grundgesetzes«: »Et is noch immer jot jejange«. dpa/nd

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