EU vs. Google: Wichtigstes Wettbewerbsverfahren des Internets
EU-Kommission wirft US-Konzern unfairen Wettbewerb vor
Brüssel/Berlin. Die EU-Kommission wird Google laut übereinstimmenden Medienberichten offiziell unfairen Wettbewerb vorwerfen. Die zuständige Kommissarin Margrethe Vestager werde die Eskalation des seit Jahren laufenden Verfahrens am Mittwoch bekanntgeben, berichteten »Financial Times«, »Wall Street Journal« und »New York Times« unter Berufung auf informierte Personen.
Der Vorwurf laute, Google habe in seiner Suchmaschine Rivalen zugunsten eigener Dienste benachteiligt, hieß es am späten Dienstag. Die EU-Kommission sieht darin den Missbrauch einer marktbeherrschenden Position. Google hat in europäischen Ländern Marktanteile von bis zu 90 Prozent bei der Internetsuche. In einem EU-Wettbewerbsverfahren können Milliardenstrafen und Einschnitte für das Geschäftsmodell drohen.
Google hatte sich mehrfach zu Zugeständnissen bereiterklärt, die Vestagers Vorgänger Joaquín Almunia ausreichend fand. In der Kommission gab es jedoch Widerstände gegen eine Einstellung des Verfahrens. Den Konkurrenten und Unternehmen aus der Medienbranche gingen Googles Zugeständnisse nicht weit genug. Sie wollen unter anderem einen prominenteren Platz bei der Anzeige von Suchergebnissen.
Google sei bereits über die Pläne der Wettbewerbskommissarin informiert worden, berichtete der Finanzdienst Bloomberg. Der Chefjustiziar des Konzerns, Kent Walker, habe sich in einem internen Schreiben zwar enttäuscht gezeigt, aber betont, Google habe starke Argumente.
In einem Wettbewerbsverfahren in der EU kann die Strafe bis zu zehn Prozent des Jahresumsatzes erreichen. Im vergangenen Jahr setzte Google 66 Milliarden Dollar um. Angesichts der Geldreserven von über 60 Milliarden Dollar wäre für Google auch eine Milliardenstrafe zwar leicht zu stemmen. Veränderungen in der Suchmaschine könnten den Konzern aber empfindlich treffen: Google macht sein Geld nach wie vor hauptsächlich mit Anzeigen im Umfeld der Internetsuche.
Eine Zuspitzung der Brüsseler Position hatte sich in den vergangenen Wochen abgezeichnet. So sagte EU-Digitalkommissar Günther Oettinger am Dienstag, er rechne in den nächsten Tagen mit Entwicklungen im Google-Verfahren. Es habe »sehr kompetente Beschwerden« gegeben, sagte er am Rande der Hannover Messe. In den USA war ein ähnliches Verfahren der dortigen Wettbewerbshüter für Google glimpflich ausgegangen.
Bei dem Streit geht es vor allem um die Anzeige von Suchergebnissen etwa zu Online-Handel, Restaurants oder Reisen. Spezialisierte Suchmaschinen kritisieren, Google platziere Treffer aus eigenen Angeboten besser. Zudem versucht Google seit einiger Zeit unter anderem mit Blick auf die Nutzung auf kleinen Smartphone-Bildschirmen verstärkt, den Nutzern gleich konkrete Antworten statt Link-Listen zu liefern. Der Konzern entgegnete früher auch wiederholt, man mache einen Dienst für Internetnutzer und nicht für andere Suchmaschinen.
Vestager habe die Entscheidung für ein schärferes Vorgehen gegen Google am Dienstag bei Beratungen mit Kommissionschef Jean-Claude Juncker getroffen, berichtete das »Wall Street Journal«. Am Mittwoch werde sie die anderen Kommissionsmitglieder informieren.
Wenn Google die konkreten Anschuldigungen der Kommission bekommt, kann der Konzern dazu schriftlich oder bei einer Anhörung Stellung beziehen. Es dürfte auf jeden Fall ein langwieriges Verfahren werden.
Bei dem Wettbewerbsverfahren ging es zudem um Vorwürfe, dass Google ungefragt Inhalte von Konkurrenten nutze und den Wechsel von Werbekunden erschwere. Die Zugeständnisse des Konzerns betrafen auch diese Punkte. Die Kommission prüft nach Beschwerden von Wettbewerbern auch das von Google betriebene Mobil-Betriebssystem Android, das mit Abstand die größten Marktanteile im Smartphone-Geschäft hat.
Das bisher aufsehenerregendste Wettbewerbsverfahren in Brüssel betraf den Software-Riesen Microsoft, der am Ende über zwei Milliarden Euro bezahlen musste. Jetzt ist Microsoft, das weitgehend erfolglos Hunderte Millionen Dollar in seine eigene Suchmaschine steckte, unter den Google-Kritikern in dem EU-Verfahren. dpa/nd
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