Betrugsskandal erschüttert Guatemala

Geheimes Netzwerk der staatlichen Steuerbehörde schröpft den Fiskus / Präsident Pérez Molina in Erklärungsnot

  • Markus Plate, San José
  • Lesedauer: 3 Min.
Ein groß angelegter Zollbetrug zieht in Guatemala seine Kreise bis in die Regierung. Großen Anteil an der Aufdeckung hatte die Internationale Kommission gegen die Straflosigkeit.

Wie bekomme ich meinen Container steuervergünstigt durch den Zoll? Zu dieser für Importeure wichtigen Frage hat in Guatemala offenbar ein hochkarätiges Expertennetzwerk entsprechende »Serviceleistungen« angeboten. Das Geschäftsmodell funktionierte so: Ein Importeur konnte per Telefon mit dem Netzwerk Verbindung aufnehmen, um beim Warenimport Steuern zu sparen. Der Warenwert wurde dann in den Zollinspektionen im Karibikhafen Santo Tomás und am Pazifikterminal Puerto Quetzal gesenkt, der Steuersatz reduzierte sich dadurch drastisch. Für seine Leistungen kassierte das Netzwerk nicht unerhebliche Gebühren: Laut Schätzungen strichen die Mitglieder alle zwei Wochen bis zu 2,3 Millionen Quetzales ein (etwa 300 000 US-Dollar).

Selbstverständlich ist das Zollbetrug und dementsprechend illegal. Was allerdings der Chef der Internationalen Kommission gegen die Straflosigkeit in Guatemala (CICIG), der Kolumbianer Iván Velásquez, zusammen mit der guatemaltekischen Staatsanwaltschaft am vergangenen Donnerstag der Öffentlichkeit präsentierte, erschüttert die Politik bis in höchste Regierungskreise: Gegen 40 Personen wurde Haftbefehl erlassen, darunter befindet sich der Chef der Steuerbehörde SAT, Omar Franco, der erst im Januar von Präsident Otto Pérez Molina bestellt worden war. Auch Francos Vorgänger Carlos Enrique Muñoz sitzt in Untersuchungshaft. Innerhalb der SAT wiederum wurden in der jüngeren Vergangenheit Schlüsselpositionen neu besetzt, derzeit wird geprüft, ob auch diese Neubesetzungen im Zusammenhang mit der Konsolidierung des Schmugglerrings stehen.

Im Zentrum des Skandals steht allerdings mit Juan Carlos Monzón Rojas der Privatsekretär von Guatemalas Vizepräsidentin Roxana Baldetti. Er soll, als einer der Hauptorganisatoren, interessierte Importeure vermittelt und seinen Einfluss geltend gemacht haben, dass zentrale Posten, wie der der Steuerbehörde mit Vertrauten des Netzwerkes besetzt wurden. Monzón Rojas steht auf der Fahndungsliste, hält sich allerdings zurzeit im Ausland auf. Mit dem Direktor der angesehenen guatemaltekischen Zeitung »Siglo 21«, Salvador Estuardo González, wurde weitere Prominenz als mutmaßlicher Drahtzieher verhaftet. Der Internetauftritt der Seite war am Freitag für Stunden nicht erreichbar.

Von Regierungsseite betonte Jorge Ortega, Pérez Molinas Sprecher, dass man schon vor einem Jahr den Verdacht hegte, dass in der SAT geheime Netzwerke operieren würden, weshalb man den damaligen Chef ja auch abgelöst habe. Mehr als peinlich für den Präsidenten ist es aber, dass dieser nur einen Tag vor der Verhaftungswelle die SAT besucht hatte, um dem nun verhafteten Chef Omar Franco das Vertrauen auszusprechen. Der CICIG gelingt mit den Enthüllungen ein Coup, der nicht zuletzt die eigene Position im Land stärken dürfte. Die internationale Kommission ist seit 2007 in Guatemala, hat in den vergangenen Jahren einige spektakuläre Strafverfahren ins Rollen gebracht, Präsident Pérez Molina steht einer im September anstehenden Mandatsverlängerung allerdings dem Vernehmen nach ablehnend gegenüber. Erst vor wenigen Tagen ließ er verlauten, dass er sich diesbezüglich keinem Druck aus dem In- und Ausland beugen werde. Dieser Druck auf den Präsidenten ist seit Donnerstag merklich angestiegen. Drängen Menschenrechtsgruppen und Anwaltsvereinigungen ohnehin auf eine Mandatsverlängerung, teilte nun auch der extrem einflussreiche Unternehmerverband CACIF mit, dass »jedweder Einsatz zur Bekämpfung von Straffreiheit und Korruption fundamental für Guatemalas Unternehmertum« sei. Und nachdem der US-Kongress bereits im März die Verlängerung des CICIG Mandats angemahnt hatte, dürfte sich Pérez Molina nach dem jetzt aufgedeckten Skandal in seiner eigenen Regierung kaum noch einen Rauswurf der CICIG leisten können.

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