Die noch nicht ausgestandene Katastrophe
Auch fünf Jahre nach Havarie der Ölplattform »Deepwater Horizon« redet BP das Ausmaß der Umweltschäden klein
Am 20. April 2010 entzündete sich Gas auf der von BP betriebenen Ölplattform »Deepwater Horizon« und löste nach einer Explosion einen Großbrand aus. Elf Menschen kamen ums Leben. 36 Stunden später versank die Plattform und riesige Mengen Öl ergossen sich in den Golf von Mexiko. Erst nach vier gescheiterten Plänen und 87 Tagen, in denen der britische Konzern zunehmend verzweifelt wirkte, gelang es Ingenieuren mithilfe einer über das Bohrloch in 1500 Metern Tiefe gestülpten Stahlglocke, den Strom aus dem Ölfeld »Mississippi Canyon 252« zu schließen. Zuvor hatten die Experten unter anderem Golf- und Tennisbälle mit Plastikschrott und Spezialschlamm in das Leck gepumpt - vergeblich. Was folgte, waren Bilder verschmierter Vögel und Fische, ein Ölteppich von der Größe Jamaikas und 1000 Kilometer schmutzverklebte Küste in den US-Bundesstaaten Louisiana, Mississippi, Alabama, Texas und Florida.
Fünf Jahre danach wird noch immer über das Ausmaß der Umweltschädigungen sowie über die Höhe der Geldbußen und Entschädigungen gestritten, die BP an betroffene Kommunen, den Fischerei- und Tourismussektor zu entrichten hat. Entscheidend hierfür ist die genaue Menge ausgetretenen Öls - ein Gericht legte diese auf 3,2 Millionen Barrel (etwa 509 Millionen Liter) fest. Umweltschützer hingegen sprechen von bis zu 750 Millionen Litern.
Als Folge der schwersten Ölkatastrophe in der US-Geschichte wurden rund drei Monate lang Wellen mit einer schwarzen, klebrigen Masse an den Küsten von fünf US-Bundesstaaten angeschwemmt. Noch heute finden sich Teerklumpen an den Stränden. BP gibt an, 42 Milliarden Dollar für Reinigung, Gerichtsstrafen und die Entschädigung von Opfern bereitgestellt zu haben. Beinahe 30 Prozent dieser Summe wurde nach Behördenangaben an 300 000 Bewohner und Firmen der Golfregion ausgezahlt. 66 000 weitere Betroffene warten noch immer auf eine Zahlung.
Tausende weitere bisher nicht entschädigte Personen und Unternehmen haben ebenfalls Klage gegen den Ölkonzern eingereicht oder könnten dies noch machen. Sie warten auf die Entscheidung von Richter Carl Barbier vom Amtsgericht Ostlouisiana. Er wird festlegen, welche Summe BP pro ausgelaufenem Liter Öl an zivilrechtlichen Strafgeldern zu zahlen hat.
Barbier urteilte im September 2014, der Konzern habe grob fahrlässig im Umgang mit der Ölpest gehandelt. BP hat bereits vier Milliarden Dollar gezahlt, um strafrechtliche Vorwürfe abzugelten. Doch das Ansinnen, die Strafgelder auf 9,57 Milliarden Dollar zu begrenzen, lehnte Barbier im Februar ab. Stattdessen könnte die Gesamtsumme bei 13,7 Milliarden liegen. Der Konzern warnt, dies könnte die Fördertochter BPEX ruinieren. Der britische Eigentümer stehe nicht in der Verantwortung und würde daher keine Geldmittel zur Verfügung stellen. Dieses Argument überzeugt die Kritiker nicht. »Die Produktion im Golf von Mexiko ist für BP viel zu wertvoll, um eine Tochtergesellschaft in finanzielle Probleme zu bringen«, meint Juraprofessor Blaine LeCesne von der Loyola University in New Orleans. »Man muss schon sehr leichtgläubig sein zu denken, eine Strafe von 13 Milliarden Dollar könne ein Unternehmen wie BP zerstören.«
Auch das Schweizer Unternehmen Transocean, Besitzer der Ölplattform, und die texanische Firma Halliburton, die dort an den Arbeiten beteiligt war, sind von der Rechtsprechung betroffen. Bei ihnen wurde aber eine weniger schwere Schuld festgestellt. Transocean hat bereits 2013 ein Bußgeld von 1,4 Milliarden Dollar gezahlt, Halliburton im vergangenen Jahr 1,1 Milliarden Dollar.
BP streitet hingegen weiter, auch mit Umweltschützern. Im März veröffentlichte man einen Bericht, nach dem es kaum langfristige Folgen für Krabben, Garnelen, Pelikane und andere Tiere der Region geben werde. Doch Kyle Graham, Vizedirektor des Küstenschutzes in Louisiana, sieht das anders: »Sie wollen uns weismachen, die erhöhte Vogel-Sterblichkeit in Gegenden, die von Öl verseucht sind, sei reiner Zufall«, sagt Graham. »Unabhängige Wissenschaftler sehen sehr wohl einen Zusammenhang.«
Der Krabbenfischer Randy Borne aus Louisiana hat andere Belege: Vor der Ölpest habe er täglich 70 Fallen mit Blaukrabben aus dem Meer gefischt, sagt er. Inzwischen seien es nur noch 12. »Und es wird von Jahr zu Jahr schlimmer.« mit dpa
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