Kein Abnicker
PERSONALIE: Marco Bülow
»Eine solche Speicherung verstößt gegen die Grundrechte.« Anders als sein Parteikollege Heiko Maas, von dem dieses Zitat stammt, fühlt sich Marco Bülow immer noch an sein Nein zur Vorratsdatenspeicherung gebunden. Das ist für einen SPD-Politiker nichts besonderes. Für einen SPD-Bundestagsabgeordneten hingegen schon.
Es ist nicht das erste Mal, dass Bülow diese Sache mit der Verantwortung vor dem Gewissen ernst nimmt. 1971 geboren, wurde Bülow in der »Herzkammer« der SPD (Herbert Wehner) politisch aktiv: Dortmund. Zwischen Proletariat und Strukturwandel durchlief er dort den üblichen Weg sozialdemokratischer Sozialisation: Asta, Jusos, Kreisverband. 2002 schaffte er den Einzug in den Bundestag und setzte sich dort für Themen ein, die einem jungen Abgeordneten nicht unbedingt den Aufstieg auf der Karriereleiter erleichtern: Transparenz von Regierungshandeln und Einflussnahme von Lobbyverbänden. 2013 wandte sich Bülow gegen die Bildung einer Großen Koalition. Als einziger Abgeordneter seiner Fraktion. Vier Seiten umfasste das Schreiben, in dem er begründete, warum er den Koalitionsvertrag ablehne. Auf Twitter kürzte er es auf 89 Zeichen zusammen: »das kannste schon so machen, aber dann isses halt Kacke.« Sein Gegenvorschlag für die SPD: »rot pur«.
»Ich werde deshalb meine Kolleginnen und Kollegen in der Fraktion dazu auffordern, dem Gesetz der Regierung nicht zuzustimmen«. Mit diesen Worten wandte sich Bülow an diesem Dienstag erneut gegen seine Fraktion. Mindestens 188 von 193 SPD-Abgeordneten müssten es ihm gleichtun, um die Vorratsdatenspeicherung zu Fall zubringen. Warum es dazu nicht kommen wird, obwohl viele von ihnen noch vor kurzem vehement gegen das Gesetz argumentierten, kann man unter anderem in dem Buch »Wir Abnicker« nachlesen. Aus eigener Erfahrung legt dort ein Insider des Berliner Polit-Betriebs die Mechanismen offen, die Politiker dazu bringen, Ideale gegen Pragmatismus zu tauschen. Der Autor des Buches: Marco Bülow.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.