Wenn das Strahlen plötzlich erlischt

Steffi Jones wirbt für Frauenfußball an einer Schule. Fragen zu ihrer Zukunft mag sie eher nicht

Das Champions-League-Finale wird am 14. Mai in Berlin angepfiffen. Gekonnt warb Steffi Jones dafür im Stadtteil Friedrichshain. Weniger souverän geht sie mit Kritik an ihrer Ernennung zur Bundestrainerin um.

Die Sonne strahlt, Steffi Jones auch. An diesem Donnerstagvormittag betritt die DFB-Direktorin für Frauen- und Mädchenfußball gewohntes Terrain - als beschwingte Botschafterin, diesmal für das Finale der Champions League der Frauen am 14. Mai in Berlin. Die Werbetour, organisiert vom Deutschen Fußball-Bund (DFB) und vom Berliner Fußball-Verband (BFV), führte die 42-Jährige in den Berliner Stadtteil Friedrichshain. Und Werbung braucht das Endspiel um die europäische Fußballkrone bei den Frauen auch drei Wochen vor dem Anpfiff noch: Knapp 10 000 Karten sind für die Partie im Friedrich-Ludwig-Jahnsportpark an der Cantianstraße erst verkauft, etwas mehr als die Hälfte. Obwohl nach dem 7:0-Hinspielsieg im Halbfinale gegen Brøndby Kopenhagen mit dem 1. FFC Frankfurt schon eine deutsche Mannschaft so gut wie sicher als Finalteilnehmer feststeht. Die Spielerinnen des VfL Wolfsburg müssen am Sonntag bei Paris St. Germain ein 0:2 aufholen, wenn sie ihren Titel in Berlin verteidigen wollen.

Die Bühne für Steffi Jones an diesem Donnerstag ist die moderne Sporthalle der Spartacus-Grundschule. 800 Kilogramm Material wurden dafür am Vortag in die erste Etage des Neubaus geschleppt. Nun sitzt Jones lässig auf einem Hocker, hinter ihr die offiziellen Aufsteller der UEFA mit Logo und Schriftzug des Finals - weiß auf lila. Und ganz locker spricht Jones auch zu den rund 120 anwesenden Kindern, die auf Turnmatten vor ihr sitzen. Sie gibt ihnen Tipps, wie man eine erfolgreiche Sportkarriere starten kann. Jones selbst lief 111 Mal im DFB-Trikot auf, war Welt- und Europameisterin. Während der Kinderpressekonferenz begeistert sie die Schüler. Willi, einer von sechs Fragestellern, will wissen: »Wie sind Sie zum Fußball gekommen?« »Zuerst, mit drei Jahren, war ich ein Torpfosten«, antwortet Jones. Die Halle lacht. Ihr größerer Bruder habe immer auf sie aufpassen müssen und sie zum Fußball mitgenommen. »Als ich vier Jahre alt war, durfte ich dann mitspielen«, sagt Jones und lacht - Kinder, Lehrer und Eltern mit ihr.

Das kann Steffi Jones perfekt - repräsentieren. Nicht umsonst war sie von 2008 an drei Jahre lang Präsidentin des Organisationskomitees der Frauen-WM 2011 in Deutschland. Sie ist zum Gesicht des Frauenfußballs geworden. Geduldig unterschreibt sie nach der gut einstündigen Veranstaltung auch noch etliche ihrer Autogrammkarten. Eine ganze Tasche voll hat sie davon mitgebracht. »Es ist doch gut, dass mal ein wirkliches Vorbild hier bei uns an der Schule ist«, sagt Rektorin Bärbel Helm später. Ihre Spartacus-Grundschule wurde ausgewählt, weil sie eine von 30 Projektschulen in Berlin ist. »Mädchenfußball in Berlin - Alle kicken mit«, heißt das Projekt des Berliner Fußball-Verbandes.

Die Mädchen der Spartacus-Mannschaft sitzen stolz mit ihrer Spielkleidung in der Sporthalle. Dass an diesem Tag nicht über Probleme ihrer Schule gesprochen wird, stört Rektorin Helm nicht. Eines der größten Probleme: Die sportbetonte Grundschule hat keinen Sportplatz. Seit mehr als zwei Jahren ist die nahe gelegene Anlage in der Pufendorfstraße aus Sicherheitsgründen gesperrt. Der Bezirk wolle nicht, das Grünflächenamt könne nicht helfen, sagt eine Betreuerin der Fußball AG. Und trotz des großen Auftritts am Donnerstag werden wohl auch der DFB und der BFV nichts anstoßen können.

Auf Probleme war wohl auch Steffi Jones nicht eingestellt. Auch die Fragen der Journalisten zur Champions League oder zur Nationalmannschaft und der anstehenden Weltmeisterschaft beantwortet die DFB-Direktorin gewohnt souverän und gefällig. Plötzlich aber erlischt das Strahlen in ihrem Gesicht. Es geht um ihre eigene Zukunft - als Bundestrainerin. Ende März wurde sie vom DFB zur Nachfolgerin von Silvia Neid bestimmt. Neid hört 2016 nach den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro auf. »Wie hat Sie die teils doch heftige Kritik zum Beispiel aus der Bundesliga getroffen?« Jones antwortet mit einer Gegenfrage: »Auf wen bezogen?« Letztlich bricht sie die Kritik auf Bernd Schröder runter. Ja, der Trainer von Turbine Potsdam hatte seinem Unverständnis tatsächlich am lautesten Luft gemacht. Der einzige Ligatrainer ist er aber beileibe nicht, der Probleme mit der DFB-Entscheidung hatte. Für Steffi Jones schon: »Ja, also es ist einer, das ist Bernd Schröder, der mir aber gestern noch liebe Grüße ausgerichtet hat.« Sie weicht aus und wirkt nur noch wenig souverän. »Ich vertraue auf das, was ich in den letzten Jahren alles erreicht habe.«

Weil Jones aber noch nie als Trainerin gearbeitet und ihren Fußballlehrerschein 2007 in einem damals noch angebotenen Kurzlehrgang für verdiente Nationalspieler erworben hat, sorgte ihre Ernennung nicht nur in Potsdam für Kopfschütteln. »Nein, es gibt viele, die das anders sehen und die eben sagen, dass die Kompetenz da ist«, betont Jones. Was soll sie auch sagen? Taten kann sie vorerst ja nicht sprechen lassen. Das ist wohl das Schwierigste an ihrer Situation. Sie bittet, nicht zu Unrecht, um Zeit: »Wenn ich angefangen habe, darf man mich beurteilen.«

Bis dahin stellt sie ihr Trainer- und Betreuerteam zusammen und hospitiert bei verschiedenen Trainern. Jetzt aber geht sie erst mal ans andere Ende der Sporthalle. Dort spielen gerade die Mädchen der Fußball AG. Und Steffi Jones strahlt wieder.

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