BASF steht in der Verantwortung
Johannes Seoka, Bischof von Pretoria, über die Aufarbeitung des Massakers in der Platinmine Marikana
Warum nehmen Sie die lange Reise nach Ludwigshafen auf sich?
Ich will auf der Aktionärsversammlung der BASF darauf aufmerksam machen, welche Auswirkungen deren Ausgaben in Südafrika für die Menschen dort haben. Ich möchte die Aktionäre informieren, wie ihr Geld zwischenmenschliche Beziehungen in Südafrika beeinflusst und wie sie direkt und indirekt zur Situation im Bergbausektor beitragen.
Sie sind Chef der Bench Marks Foundation, einer kirchlichen Entwicklungsorganisation, die sich für Sozialverantwortung von Firmen einsetzt. Haben Sie eine Studie zum Marikana-Massaker vom 16. August 2012, bei dem 34 Arbeiter von der Polizei erschossen wurden?
Bisher haben wir keine Studie gemacht. Wir hatten allerdings vorher vor der brenzligen Situation gewarnt. In zahlreichen Interviews waren wir zu dem Eindruck gekommen, dass es zu Auseinandersetzungen kommen könnte. Unsere Berichte waren auch dem britischen Bergbaukonzern Lonmin zugänglich. Aber ich habe den Eindruck, dass der Betreiber der Platinmine die Warnungen ignorierte.
Sie wurden von den Arbeitern als Vermittler im Konflikt mit dem Konzern gewählt. Welche Erfahrungen haben Sie gemacht?
Die Arbeiter wollten mit dem Unternehmen über ihre Forderungen verhandeln, aber das Unternehmen war nicht bereit zu verhandeln. Das hat den Konflikt verschärft. Wäre das Unternehmen verhandlungsbereit gewesen, wäre es vielleicht gar nicht zu dem Massaker gekommen.
Sehen Sie von Seiten der Justiz, der südafrikanischen Regierung und des Unternehmens den Willen, das Massaker aufzuklären?
Es wurde eine Kommission eingesetzt, die am 1. April einen Bericht vorgelegt hat, über dessen Veröffentlichung die Regierung entscheiden muss. In diesem Bericht sollen sich Empfehlungen finden, aber ich habe ihn noch nicht erhalten und konnte ihn somit nicht analysieren. Unstrittig ist, dass die Zivilgesellschaft und die Gewerkschaftsbewegung Druck auf die Regierung ausüben - im Interesse der Opfer und ihrer Angehörigen.
Wie denken Sie über die Arbeit der Untersuchungskommission?
Ich habe nicht viel Vertrauen, denn die Kommission berichtet direkt dem Präsidenten und der Leiter ist ein pensionierter Richter, Ian Gordon Farlam. Pensionierte Richter sind bekannt dafür, ihrem ehemaligen Arbeitgeber loyal gegenüberzustehen. Ich glaube, dass die Zeugenvernehmungen und deren Auswahl nicht repräsentativ waren. Arbeitern wurde relativ wenig Redezeit zugestanden, Vertretern von Polizei und Staat aber viel.
Ist eine neue, unabhängige Untersuchung nötig?
Das würde ich sehr begrüßen. Ein transparenter Umgang ist dringend notwendig. Natürlich kostet eine unabhängige, international besetzte Untersuchungskommission Geld, aber das ist im Interesses der Investoren, denn es ist die Voraussetzung für die Beilegung des Konflikts.
Wie sind die Arbeitsbedingungen im südafrikanischen Bergbausektor?
Beschämend. Das liegt an den traditionellen Strukturen, denn die Arbeiter wurden aus ländlichen Regionen in die Bergbaugebiete gebracht. Sie leben oft in Massenunterkünften, in Siedlungen ohne Infrastruktur. Sie brauchen eine Perspektive für ihre Familien. Die Strukturen sind auch der Grund, weshalb sich die Arbeiter stärker mit ihrer Herkunftsregion identifizieren, ihre Familie dort lassen und Geld schicken. Der Bergbau bietet ihnen keine Jobsicherheit.
Bietet Lonmin bessere Arbeitsbedingungen?
Sie behaupten das, aber die Unterkünfte sind in schlechtem Zustand, die Infrastruktur ebenfalls, es gibt nicht genug Schulen, so dass die Kinder der Arbeiter weit fahren müssen, um unterrichtet zu werden.
Wie hoch ist der Durchschnittslohn in der Mine?
Die Arbeiter verdienen um die 4000 Rand (rund 308 Euro), das reicht hinten und vorne nicht. Die Arbeiter sagen, dass ein existenzsichernder Lohn bei 12 500 Rand liegt. Lonmin hat zugesagt, diese Summe zu bezahlen, macht aber keine Anstalten, die Verpflichtung einzuhalten.
BASF ist der Hauptabnehmer des Platins, welches durch Lonmin gefördert wird. Ist der deutsche Konzern mitverantwortlich?
Ja, das müssen die Aktionäre verstehen. Wer investiert, hat Mitverantwortung für die Arbeits- und Lebensbedingungen vor Ort. BASF ist der zweitgrößte Geschäftspartner Lonmins und hat immensen Einfluss.
BASF bekennt sich in Leitlinien zur Einhaltung der Menschen- und Arbeitsrechte. Ein Widerspruch?
Das Massaker und der Umgang von Lonmin mit den Arbeitern und deren Lohnforderungen sind mit den BASF-Leitlinien nicht zu vereinbaren. Wer sich auf solche Leitlinien bezieht, steht auch in der Verantwortung, sie umzusetzen. Dazu gehört auch ein Kon-trollinstrumentarium. Wir appellieren an BASF, Verantwortung zu übernehmen. Das Mindeste ist eine Geste des guten Willens.
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