Pozzallo ist ein Symbol
1. Mai in Italien steht auch im Zeichen der Flüchtlinge
»Integration, Arbeit, Entwicklung. Man muss die Rechte aller respektieren und darf niemanden ausschließen.« Unter diesem Motto steht in diesem Jahr der 1. Mai in Italien. Die Gewerkschaften organisieren im ganzen Land Kundgebungen und Demonstrationen, aber die Hauptveranstaltung findet im sizilianischen Pozzallo statt. Diese kleine Stadt mit knapp 20 000 Einwohnern, direkt an der Südspitze Siziliens gelegen, ist mittlerweile zum Symbol von Hoffnungslosigkeit, aber auch für Hoffnung geworden. Zuletzt tauchte ihr Name selbst in der internationalen Presse auf, weil hier eines der größten Auffanglager für Migranten und Flüchtlinge in Italien liegt. Dorthin werden viele jener gebracht, die von der Marine und Küstenwache im Mittelmeer aufgegriffen und gerettet werden. Die Menschen in Pozzallo kennen besser als andere die Geschichten von Folter, Vergewaltigung, Hunger und Gewalt jeder Art, die hinter fast allen Verzweifelten liegen, die hier zum ersten Mal seit Monaten oder Jahren ein Gefühl relativer Sicherheit haben. Dabei muss man hervorheben, dass es in Pozzallo und allgemein in Sizilien kaum Episoden der Fremdenfeindlichkeit gab und gibt und das, obwohl im armen Sizilien mit Abstand die meisten Flüchtlinge in Italien untergebracht werden. All das hat die drei großen Gewerkschaften CGIL, CISL und UIL dazu bewogen, den 1. Mai gerade hier zu begehen.
Am Vormittag werden die Generalsekretäre Susanna Camusso, Annamaria Furlan und Carmelo Barbagallo auf der größten Piazza des Ortes auch vor Delegationen aus Norditalien reden. Ein Migrant, ein Arbeitnehmer aus dem Tourismussektor und einer aus der Landwirtschaft sollen das Wort ergreifen. Danach wird man gemeinsam einen Blumenkranz ins Meer werfen, um an die vielen, vielen Migranten - die Schätzungen gehen bis zu 50 000 - zu erinnern, die im Mittelmeer ertrunken sind. Vor allem die CGIL fordert von den italienischen, aber auch von den europäischen Institutionen ein radikales Umdenken in der Flüchtlingspolitik. »Man muss«, so heißt es in einem Aufruf, »eine gemeinsame Politik aufbauen, die auf den Werten der Menschlichkeit fußt. Man muss humanitäre Korridore und legale Einreisemöglichkeiten schaffen und einen gesamteuropäischen Plan der Aufnahme ausarbeiten.«
Das zweite große Thema der Gewerkschaften ist die Arbeitslosigkeit. Die lag bei bei allen Erfassten im Februar bereits bei 12,7 Prozent, mit einem leichten Anstieg gegenüber den Vormonaten. Bei den 15- bis 24-Jährigen hat die Rate jedoch 42,6 Prozent erreicht, 1,3 Prozent mehr als im Vorjahr. Zugleich nimmt auch die Zahl jener zu, die weder arbeiten noch Arbeit suchen. Auch das sind in erster Linie Jugendliche und Frauen. Überhaupt sind die Frauen die Hauptleidtragenden der Krise, die in Italien kein Ende findet.
Die Gewerkschaften machen vor allem die Regierung für diese dramatische soziale Situation verantwortlich; die letzten Gesetze und vor allem das Arbeitsmarktgesetz »Jobs Act« haben die Rechte der Arbeitnehmer stark beschnitten, trotz anderslautender Versprechen von Ministerpräsident Matteo Renzi aber nicht zu mehr Beschäftigung geführt.
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