AfD-Funktionär soll Sprachrohr von Bärgida sein
Berliner Landesverband vertritt eigentlich Abgrenzung gegen Rechtsaußen
Wer sich öffentlich gegen die Alternative für Deutschland (AfD) positioniert, muss ein dickes Fell mitbringen. Diese Erfahrung hat zumindest der Berliner Patrick Rohde gemacht. Der Student des Otto-Suhr-Institutes für Politikwissenschaft an der Freien Universität Berlin (FU) hat sich im Rahmen einer Hausarbeit mit der AfD auseinandergesetzt. Nachdem er eine Veranstaltung mit der rechten Partei an seinem alten Gymnasium in Schleswig-Holstein kritisierte, geriet der Berliner Student bundesweit ins Visier von Anhängern der Partei und deren Sympathisanten aus dem extrem rechten Milieu. »Ich habe sehr viele Beleidigungen, Verleumdungen und Gewaltandrohungen erhalten«, sagt Rohde dem »nd«. Weil er mit dem rechten »Shitstorm« überfordert war und er Angst um seine Familie bekam, wandte er sich an die Berliner Opferberatung Reach Out. Dort erhielt der Student Unterstützung.
Dass er etwas mit solchen antidemokratischen Drohungen zu tun hat, würde der Berliner Landesverband der Alternative für Deutschland sicherlich weit von sich weisen. Eher still und heimlich bereitet sich die inzwischen rund tausendköpfige, vergleichsweise liberale Parteiformation auf einen möglichen Einzug ins Abgeordnetenhaus 2016 vor. Zwischen vier und fünf Prozent, aber auch schon bei sieben Prozent lag die Partei in den vergangenen Monaten in den Umfragen.
»Wir wollen frühzeitig ein Programm vorlegen«, sagt der Pressesprecher der Berliner AfD, Götz Frömming dem »neuen deutschland«. Fünf von zehn Kapiteln für das Wahlprogramm seien bereits fertig. Noch dieses Jahr soll das Konzept stehen. Die absehbaren Schwerpunkte dürften insbesondere Innensenator und CDU-Landeschef Frank Henkel Kopfschmerzen bereiten: Denn auf der AfD-Agenda stehen unter anderem die Themen Flüchtlinge und Migration sowie Innere Sicherheit. Und: Bildung. »Wir werden in Berlin auch das Thema Bildung aufgreifen, Stichwort Gymnasium und Erhalt des gegliederten Schulsystems«, sagt Frömming. Ähnlich hat sich auch die CDU in der Hauptstadt positioniert. Angesichts der Konflikte im Görlitzer Park und der hohen Anzahl an Wohnungseinbrüchen und Diebstählen meint die Berliner AfD jedoch, die besseren »Sicherheitskonzepte« zu bieten. In den vergangenen Monaten schwärmten Mitglieder der AfD auch vermehrt in die Bezirksverordnetenversammlungen aus. Vor Ort arbeiten sie sich in die lokalen Themen ein und suchen nach lokalpolitischen Anknüpfungspunkten.
Mit den Aufmärschen von Rechtsextremen wie »Berlin gegen die Islamisierung des Abendlandes« (Bärgida) wollen der Landesverband der AfD und sein Vorsitzender Günter Brinker nichts zu tun haben. Wer die AfD mit Pegida und NPD in einen Topf werfe, diffamiere die Partei. Bereits zu Hochzeiten der Aufmärsche zu Beginn des Jahres grenzte sich der Landesverband ab. »Die Berliner AfD hat bislang nicht zur Teilnahme an Pegida- oder Bärgida-Demonstrationen aufgerufen und wird dies auch in Zukunft nicht tun«, erklärte Brinker damals. »Unsere Linie hat sich nicht geändert«, sagt der Pressesprecher Götz Frömming dem »neuen deutschland« heute. »Wir halten uns von Bärgida fern.«
Doch der innerparteiliche Konflikt der AfD, der sich an der Hauptlinie Liberale versus extreme Rechte abspielt, scheint auch vor dem vorgeblich liberalen Berliner Landesverband nicht haltzumachen. Nach Recherchen des »Antifaschistischen Pressearchiv und Bildungszentrum Berlin« (apabiz) soll der Beisitzer des Bezirksvorstandes der Lichtenberger AfD, Heribert Eisenhardt, bei den wöchentlichen Bärgida-Aufmärschen als »Pressesprecher« und »Organisator« von Beginn an eingebunden gewesen sein. Für seine Auftritte soll der AfD-Bezirksfunktionsträger das Pseudonym »Reiner Zufall« verwendet haben, berichtet das für gewöhnlich bestens informierte apabiz auf dem Blog »Berlin rechtsaußen«. Der Bezirksverband der AfD in Lichtenberg bestätigt derweil am Dienstag dem »nd« die Recherchen des apabiz.
Bei dem Aufmarsch von Bärgida waren nach nd-Informationen am vergangenen Montag unter den mehr als 100 Teilnehmern erneut viele Neonazis und Verfechter rechtsextremer und antisemitischer Verschwörungstheorien. Offen wurde aus dem Aufmarsch, der unter anderem am Bundeskanzleramt und dem Bundestag vorbeiführte, gegen die »Volksverräter« im Parlament und gegen Migranten gehetzt. Erst in der Vorwoche hatte ein Teilnehmer einen türkischen Journalisten brutal mit einer Fahnenstange attackiert. Auch am vergangenen Montag bedrohten Neonazis Passanten am Rande der Demonstration.
Dass einer ihrer Funktionsträger in diesem Rahmen aktiv sein könnte, ist dem Landesvorstand der Berliner AfD indes nicht bekannt. »Ich kenne Herrn Eisenhardt. Dass er Undercover-Pressesprecher von Bärgida sein soll, ist mir neu«, sagt Götz Frömming. Normalerweise schlössen sich ein Amt in der Partei und eine Funktion bei einer »Bürgerbewebung« aus. Der Vorstand werde dem Hinweis nachgehen, sagt der AfD-Sprecher.
Ob es noch weitere mögliche personelle Verquickungen der extremen Rechten und der AfD in Berlin gibt, dürfte sich im kommenden Wahlkampf zeigen. Langsam beginnen auch die im Abgeordnetenhaus vertretenen Parteien, sich mit dem möglichen Konkurrenten auseinanderzusetzen. Auf einer Veranstaltung der Grünen-Fraktion jüngst im Abgeordnetenhaus warf man unter dem Titel »Die neue alte Rechte« einen Blick auf die AfD. Fakt ist, dass die Partei Einstellungsmuster anspricht, die auch bei den Volkspartei- und gar LINKE-Wählern vertreten werden. Charismatische oder bekannte Personen hat der AfD-Landesverband bislang nicht hervorgebracht. Allenfalls die in der sogenannten Lebensschutzbewegung aktive Europa-Parlamentarierin Beatrix von Storch ist ein Begriff.
Für Expertinnen wie Bianca Klose von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus Berlin (MBR) stellt die AfD in Berlin dennoch eine Herausforderung dar. Die alten Formate und Argumente gegen die extreme Rechte greifen bei der AfD nur bedingt, sagt Klose. Und: »Das eigentliche Problem bei der AfD sind deren Inhalte und ihr bürgernahes Auftreten.« Dagegen helfen nur gute, alternative Positionierungen und Bündnisse mit Gruppen, die von der AfD diskriminiert werden. Das haben im Netz bereits einige erkannt. Dort gibt es verschiedene sogenannte AfD-Watch-Projekte, die die Partei genauer unter die Lupe nehmen. Eine Idee, die vielleicht bald auf Landesebene in Berlin nötig werden könnte.
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