Keine Mogelpackung mehr
Frankfurts Fußballerinnen werden erst im Finale der Champions League von Paris gefordert
Von wegen provinzielle Bühne im Berliner Bezirk Prenzlauer Berg. Colin Bell macht aus seinen Hochgefühlen zum bevorstehenden Finale der Champions League im Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark keinen Hehl. »Das sind Glücksmomente. Am liebsten würde ich auf den Platz rennen und selbst mitspielen«, versichert der gebürtige Engländer und ehemalige Mainzer Zweitligaspieler. Nach den Trainingsleistungen, scherzt der 53-jährige Fußballlehrer, hätte er das allemal verdient.
Es braucht Typen wie Bell und Klubs wie den 1. FFC Frankfurt, um solch eine Begeisterung für die weibliche Königsklasse zu wecken, deren Endspiel wegen der bevorstehenden Frauen-WM vom Männer-Event am 6. Juni in Berlin abgekoppelt werden musste. Immerhin: Mit Paris Saint Germain erscheint ein »großer Name und schwerer Gegner«, wie Bell anmerkt. Zwei Aushängeschilder der Frauenfußball-Großmächte Deutschland und Frankreich duellieren sich an diesem Donnerstag.
Bis heute herrscht auf Pariser Seite Unverständnis über die ausgesuchte Spielstätte, das Schwedens Nationalspielerin Kosovare Asllani ob der stimmungstötenden Laufbahn als »fürchterlich« titulierte. Auch Fatmire Alushi, prominenteste von fünf deutschen Spielerinnen bei Paris, war nach eingehendem Internetstudium zum Urteil »unwürdig« gelangt. Immerhin wurden das Haupttribünengebäude saniert und fast alle der 17 174 Tickets abgesetzt. Das Risiko, möglicherweise ohne deutsche Beteiligung ein Finale vor verwaisten Rängen im Olympiastadion zu inszenieren, hatte die UEFA gescheut.
Noch immer wird nicht richtig klar, wie ernst es die Dachorganisation mit ihrem einzigen Frauen-Vereinswettbewerb meint. Die »sehr überschaubaren Zuwendungen« - der Sieger bekommt 250 000, der Verlierer 200 000 Euro - will Frankfurts Manager Siegfried Dietrich gar nicht kritisieren, wohl aber die Zulassungskriterien. Nun aus weiteren leistungsschwachen Nationen den Vizemeister einzuladen, statt dem Tabellendritten der Bundesliga eine Qualifikationschance einzuräumen, will der 57-Jährige nicht nachvollziehen.
Der dreifache Europapokalgewinner hat die Vergleiche schließlich selbst als Mogelpackung entlarvt, als nacheinander Italiens Vertreter ASD Torres (5:0, 4:0), der englische Verein Bristol Academy (5:0, 7:0) oder zuletzt das dänische Team Brøndby IF (7:0, 6:0) in der K.o.-Runde vorgeführt wurden. Wenigstens der finale Showdown verspricht ein zähes Ringen. Celia Sasic, die ihren im Sommer endenden Vertrag in Frankfurt zunächst auslaufen lässt, freut sich in ihrem vielleicht letzten Spiel für den FFC auf »etwas ganz Großes« und glaubt: »Wenn wir ins Rollen kommen, ist es schwer, uns zu stoppen.« Simone Laudehr, eine von sechs deutschen Nationalspielerinnen auf Frankfurter Seite, will notfalls auch »meine Freundin« Alushi umgrätschen.
Bundeskanzlerin Angela Merkel wird beim avisierten Erscheinen also vermutlich ebenso die weniger schöne Seite des Frauenfußballs kennenlernen. Schließlich spiele auch »Paris sehr aggressiv, teilweise unfair«, sagt Bell und behauptet: »Wolfsburg haben sie im Halbfinale fast vom Platz getreten.« Vielleicht liegt es daran, dass Kollege Farid Benstiti die Champions League der Männer zum Ideal erklärt. »Wenn du dort Spiele siehst, spürst du die Leidenschaft. Ich erwartete dieses Level auch bei den Frauen«, so der 48-jährige Pariser Trainer. Es ist die Finalpremiere für seine Spielerinnen, die erst den Erzrivalen Lyon (1:1, 1:0) und dann Titelverteidiger Wolfsburg (1:2, 2:0) ausschalteten, um sich nun zu den Königinnen von Europa zu krönen.
Zwei Jahre hintereinander hat UEFA-Präsident Michel Platini die Trophäe zuletzt an die Fußballerinen des VfL Wolfsburg ausgehändigt; der Franzose hätte wohl nichts dagegen, nun ihm nahe stehende Landsleute des mit katarischem Investorengeld hochgezüchteten PSG-Gebildes zu ehren. Unter Präsident Nasser Al-Khelaifi müssen auch die Fußballerinnen nicht darben. »Der Etat von Paris ist vielfach höher als unserer«, sagt Dietrich. Damit die Kluft nicht noch größer wird, ist Frankfurt zum Siegen fast verdammt. Der FFC ist in der kommenden Saison nach Ligaplatz drei nur dann international vertreten, wenn er den Pott gewinnt.
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