Gläubiger entscheiden über Prokons Zukunft
EnBW will Teile des Windkraftunternehmens kaufen
Die Investoren stehen nicht gerade Schlange bei Prokon. Doch immerhin zeigte der kleinere Konkurrent Capital Stage aus Hamburg Interesse; und auch der drittgrößte Stromkonzern Deutschlands, die Energie Baden-Württemberg (EnBW), ist aussichtsreich im Rennen um den Windparkbetreiber. Insolvenzverwalter Dietmar Penzlin hatte Ende 2014 das Hamburger Bankhaus M.M. Warburg beauftragt, Käufer zu suchen. Aus den offiziell unbekannten Interessenten hat der Gläubigerausschuss am späten Dienstag das Angebot der Stuttgarter EnBW ausgewählt. Das Angebot passt in die Strategie des Unternehmens, das sich vom Atomkonzern zum Ökostromanbieter wandeln will.
Das Interesse zeigt, wie intakt das Kerngeschäft des skandalgeschüttelten Unternehmens ist. Während des laufenden Insolvenzverfahrens wurden die Windparks Ferchland III in Sachsen-Anhalt und Brudzewice in Polen in Betrieb genommen. »Zahlreiche weitere Projekte befinden sich zudem in verschiedenen Phasen der Planung beziehungsweise der Bauvorbereitung«, teilt Insolvenzverwalter Penzlin auf seiner Internetseite mit. 54 Windparks werden von Prokon betrieben und 40 000 Kunden mit Strom versorgt. Einer weiteren Fortführung, stehe »somit nichts im Wege«.
Nun habe die »heiße Phase« begonnen, so Penzlin - bis zur für Anfang Juli geplanten Gläubigerversammlung in der Hamburger Messe. Dann werden mehrere zehntausend Eigentümer von Genussscheinen darüber entscheiden, ob die EnBW den Zuschlag erhält. Der Wert vor allem der 318 Windkraftanlagen wird auf etwa 500 Millionen Euro geschätzt. Dem stehen allerdings Verbindlichkeiten von etwa 1,5 Milliarden Euro gegenüber. Die Gläubiger werden daher auf zwei Drittel ihres eingezahlten Kapitals verzichten müssen.
Genaue Zahlen und die konkreten Überlebensstrategien für Prokon wird Penzlin in zwei unterschiedlichen Insolvenzplänen festhalten, die er beim zuständigen Insolvenzgericht im schleswig-holsteinischen Itzehoe »kurzfristig« einreichen will. Der interimistische Prokon-Chef bereitet nämlich auch eine Alternative vor. Ziel sei es, den Gläubigern die Wahl zwischen der Übernahme durch den Investor EnBW oder eine Genossenschaft »anzubieten«. Für diese machen sich die rund 10 000 »Freunde von Prokon« stark. In dem Verein haben sich Genussscheininhaber zusammengefunden, die an die Zukunft von Prokon als ein etwas anderes Unternehmen glauben. Eine Genossenschaft setzt allerdings voraus, dass sich im Juli genügend Genussrechtsinhaber als Mitglieder einer Genossenschaft unternehmerisch an Prokon beteiligen wollen. Der Stromkonzern EnBW dürfte versuchen, die Gläubiger mit einem vergleichsweise lukrativen Angebot zu überzeugen.
Der für viele Anleger im grün-linken Milieu charismatische Carsten Rodbertus hatte Prokon vor fast zwanzig Jahren gegründet, als Windenergie noch kein vom Staat hoch subventionierter Selbstgänger bei den Banken war. Dank eines Werbefeldzuges vor allem in großen Städten konnte Rodbertus bei fast 100 000 Kleinanlegern einen Milliardenbetrag einsammeln. Ob dabei alles mit rechten Dingen zugegangen ist, prüfen Staatsanwälte. Im Mai 2014 wurde das Insolvenzverfahren gegen die zahlungsunfähige GmbH eröffnet. Prokon könnte nun der erste Stromversorger werden, der ein Insolvenzverfahren überstanden haben wird.
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