Noch mehr Pep beim FC Bayern
Guardiolas Einfluss in München wird kommende Saison noch größer werden
Normalität ist wieder eingekehrt in München. Ein Servus hier, ein Bussi da - bei frühlingshaften Temperaturen ist man zu Weißwurst, Leberkäs und Semmel wieder unter sich. Noch am Dienstag und Mittwoch waren sie nicht zu übersehen die Fans des FC Barcelona - auf den Sitzflächen am Rindermarkt, den Bierbänken inmitten des Viktualienmarktes oder singend und tanzend auf dem Marienplatz. Sogar die Mariensäule trug das leuchtende katalanische Gold-Rot und das dunkle Blau-Rot von Barça.
Siegessicher, mit dem 3:0-Vorsprung aus dem Halbfinalhinspiel der Champions League, waren die Katalanen angereist und machten München bei hochsommerlichen 30 Grad Celsius wie selbstverständlich zu ihrer Stadt. Nach dem 3:2-Sieg des FC Bayern verließen sie die Stadt auch wieder als Sieger - aber recht schnell. Denn Grund zum ausgiebigen Feiern gibt es noch nicht. Im Gegensatz zu den Münchnern hat Barça in dieser Saison noch keinen Titel gewonnen.
»Es ist ein schönes Gefühl, aber wir müssen unsere Ziele erst noch erreichen«, sagte Barcelonas Trainer Luis Enrique nach dem Finaleinzug sehr gefasst und angespannt. Bei vier Punkten Vorsprung in der Liga auf Real Madrid könnte seine Mannschaft am Sonntag mit einem Sieg bei Atlético Madrid einen Spieltag vor Saisonende den Titel holen. »Endlich Meister werden«, sprach Enrique sehnsuchtsvoll vom ersten Ziel. Seine Stirn lag dabei in Falten. Am 30. Mai soll im Finale des spanischen Königspokals gegen Athletic Bilbao der zweite Titel folgen, um eine Woche später das Triple holen zu können. Nach dem 1:1 von Juventus Turin am Mittwochabend bei Real Madrid ist Italiens Meister der Gegner im Finale der Champions League im Berliner Olympiastadion.
Normalität ist auch beim FC Bayern wieder eingekehrt. Nach zuletzt zwei Niederlagen in der Bundesliga gegen Bayer Leverkusen und den FC Augsburg werden die Münchner am Sonnabend beim SC Freiburg den Sieg nicht mehr so einfach verschenken. Das gilt auch für das letzte Saisonspiel am 23. Mai gegen den FSV Mainz 05. »Wir werden es richtig krachen lassen«, plant Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge eine ausgelassene Meisterfeier erst im eigenen Stadion und dann am Pfingstsonntag auf dem Rathausbalkon. Dann soll der Marienplatz endlich auch wieder nur ein rot-blau-weißes Farbenmeer sein.
Dafür haben sie, durch die Tore von Mehdi Benatia, Robert Lewandowski und Thomas Müller gegen den FC Barcelona, die emotionale Voraussetzung geschaffen. Das Wichtigste vom Dienstagabend brachte Müller zum Ausdruck: »Wir haben uns auf keinen Fall blamiert.« Und außer Mario Götze (»Ich habe mir das alles anders vorgestellt«), der wieder erst kurz vor Schluss eingewechselt wurde und mit tief ins Gesicht gezogener Kapuze ganz schnell das Stadion verließ, sah man kaum einen enttäuschten Münchner.
An das Wunder, so der Eindruck schon vor und erst recht nach der Partie gegen Barça, hatte so recht niemand geglaubt. Trotz des Gesamtstandes von 5:3 nach beiden Halbfinalspielen: Der FC Bayern war gegen Barcelona chancenlos. Nachdem der FC Barcelona zur Halbzeit 2:1 durch zwei Treffer von Neymar geführt hatte, stellte er jegliche Offensivbemühungen ein. Das beängstigende Offensivtrio mit dem Brasilianer, Lionel Messi und Luis Suarez, der zum Wiederanpfiff gar nicht mehr den Platz betrat, offenbarte die Münchner Schwächen freiwillig nicht mehr. Und Barça verteidigte, was sie ebenfalls nahezu perfekt beherrschen, auch nicht mehr konsequent. Mit sieben Siegen in Serie bei einem Torverhältnis von 25:0 waren sie nach München gekommen. Nun gestatteten sie dem FC Bayern den ersten Sieg nach vier Niederlagen in Folge. Das darf als Geste einer sehr großen Mannschaft an eine große Mannschaft gelten.
Außer der fast schon obligatorischen Meisterfeier ist beim FC Bayern allerdings kaum etwas normal. Zum ersten Mal nach 2011 spielen die Münchner kein Finale. Nach dem Triple 2013 unter Jupp Heynckes gab es unter dem neuen Trainer Pep Guardiola im vergangenen Jahr mit der Meisterschaft und dem DFB-Pokal noch zwei Titel, 2015 ist es nur einer. Gut, der Einwand von Rummenigge ist akzeptabel: »Wir haben leider seit Monaten wahnsinnig große Personalprobleme.« Aber wie nun gegen Barça waren die Bayern auch schon im Vorjahr gegen Real Madrid im Halbfinale gnadenlos unterlegen - und damals hatten die derzeit verletzten Arjen Robben, Franck Ribéry oder David Alaba mitgespielt.
Die Konsequenz wird aller Voraussicht nach lauten: noch mehr Pep beim FC Bayern. Aufgekommenen Wechselgerüchte hatte Guardiola zuletzt deutlich widersprochen. Auch sein Wirken an der Seitenlinie am Dienstagabend deutete an, dass er selbst in München auch noch nicht fertig ist. Und letztlich gab er auch noch ein Versprechen. »In der nächsten Saison werden wir es besser machen«, sagte Guardiola entschlossen.
Eine Vorstellung davon gibt es schon. Nachdem die Bayern die Saison 2012 gar titellos beendet hatten, versprach der damalige Präsident: »Wir werden investieren, bis wir wieder vorne sind.« Und genau das haben die Münchner auch jetzt wieder vor. Nicht unrealistisch ist, dass der Klub erstmals mehr als 100 Millionen Euro in Neuzugänge investieren wird.
Damit soll einerseits die in die Jahre gekommene Mannschaft verjüngt werden. Damit wird aber gleichzeitig der Einfluss von Pep Guardiola weiter zunehmen. Als der Spanier vor zwei Jahren nach München kam, übernahm er die damals beste Mannschaft Europas. Weil der Verein nicht bereit war, diese komplett umzustellen, musste sich Guardiola umstellen. Seine Ballbesitz-Philosophie behielt er bei, nahm aber im Vergleich zu seinen Erfolgsjahren in Barcelona leichte Änderungen an System und Taktik vor. Wenn er nun die Mannschaft auch personell nach seinen Wünschen entscheidend verändern kann, wird er auch das Spiel komplett nach seinen Vorstellungen umstellen.
Ein Hinweis darauf, dass der FC Bayern bereit ist, sich noch mehr seinem Trainer zu unterwerfen, lieferte der Machtkampf zwischen Guardiola und Mannschaftsarzt Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt. Es gewann: Guardiola. Nach fast 40 Jahren beendete der »Gott in Weiß« seine Arbeit beim Klub. Denn die einzige Erfolgsstrategie des FC Bayern München hat seit zwei Jahren nur einen Namen: Pep Guardiola.
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