Nichts Rettendes in Pink
Arno Klönne über saturierte »Leistungsträger«, die längst vergangene Geschichte des Liberalismus und die jüngsten Wahlerfolge der Freien Demokraten
Den Freien Demokraten ist nach Hamburg der Einzug auch in die Bremer Bürgerschaft gelungen. Als »wahnsinnig« bejubelte die Spitzenkandidatin Lencke Steiner das Stimmresultat für ihre Partei.
In der politischen Ära bedient sich die forsche junge Frau gern der Nonsenssprache, anders als in der Wirtschaftswelt, in der sie arriviert ist, so als Bundessprecherin der »Jungen Unternehmer« und mit einer Firma, die Verpackungsmaterial verkauft.
Vorsichtiger über den Erfolg in Bremen äußerte sich der FDP-Bundesvorsitzende Christian Lindner. Ein Signal für den Wiederaufstieg seiner Partei sei dieser - aber man dürfe nun nicht »abheben«, der Weg in den Bundestag brauche noch viel Energie.
Vorschnelle Deutungen der FDP-Ergebnisse und Prognosen daraus für die Ebene der nächsten Bundestagswahl klammern Realitäten der Stimmergebnisse in den beiden Hansestädten aus.
In absoluten Zahlen sind diese recht bescheiden, und die Wahlbeteiligung war besonders niedrig, was kleine Parteien begünstigte. In Hamburg und in Bremen traten die Spitzenkandidatinnen als »Extraformate« auf: nicht zu parteifromm; feminin, aber den Feminismus ablehnend; unternehmerische Gesinnung herausstellend, marktradikal; polemisch gegenüber dem »Sozialklimbim«. Dafür gibt es in beiden Städten eine spezifische, begrenzte Schicht von Interessenten.
Keineswegs hat diese eine Entsprechung im Spektrum der Wählerschaft auf der Ebene des Bundes insgesamt. Hier sind ganz andere soziale Milieus und politische Interessen zahlenstark zu finden.
Von ihren Neigungen zum Sozialliberalismus hat sich die FDP seit langem getrennt. Gelegentlich meldet sie sich noch mit bürgerrechtlicher Kritik zu Wort, aber die ist kein »Markenkern« der Freien Demokraten mehr. Inzwischen hat sich die Partei entschlossen, als Wahlangebot für ein bestimmtes Klientel aufzutreten - für saturierte »Leistungsträger« in der höheren Mittelschicht und solche, die dahin gelangen wollen.
Ob die Bundeskanzlerin glücklich wäre, wenn (nicht sehr wahrscheinlich) ein alter kleiner Koalitionspartner wieder zur Verfügung stehen würde, als Hilfstruppe gegen eine »Überforderung des Sozialstaates«? Wir wissen es nicht, die CDU-Vorsitzende Angela Merkel denkt taktisch, situativ. Wie auch immer - die FDP als Partei wird nicht zum Phönix aus der Asche der Geschichte des deutschen Liberalismus, nun eher pinkfarbig als gelb und blau.
Gesellschaftshistorisch sind die Erfahrungen mit deutschen Liberalen alles andere als erfreulich. Ihre progressive Funktion aus der Zeit um 1848 verloren sie durch die Hinwendung zum »Patriotismus« wilhelminischer Prägung, nach 1918 hatte der Weimardemokratische Liberalismus eine kurze Blütezeit in der Deutschen Demokratischen Partei, danach kam im Bürgertum ein neuer Schwenk zum Nationalliberalismus. Dem Ermächtigungsgesetz stimmten auch die noch verbliebenen Republik- liberalen zu.
Nach 1945 sicherte im Gründungsvorgang der Altbundesrepublik die FDP eine wahlpolitische Mehrheit des »Bürgerblocks« unter Führung der Unionsparteien, mit einigen Exkursionen in der Partei nach weiter Rechts hin, dann kam das Zwischenspiel der sozialliberalen Regierung und schließlich die erneute Rolle als Mehrheitsbeschaffer für eine CDU/CSU-Bundesregierung.
Wer hätte - außer einem spezifischen Klientel - solch einer Partei dauerhaft Vertrauen schenken sollen? Die in vieler Hinsicht angeschlagene deutsche Demokratie hätte von einem Wiederaufstieg der FDP nichts Rettendes zu erwarten.
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