Bundestag schwächt kleine Gewerkschaften
Große Koalition stimmt für Tarifeinheitsgesetz / Pilotengewerkschaft und Beamtenbund wollen klagen
Offenbar haben sich nicht alle Kritiker in der Union getraut, gegen das Tarifeinheitsgesetz zu stimmen. Nachdem es bei einer Probeabstimmung vor wenigen Tagen 43 Abweichler gegeben hatte, votierten am Freitag im Bundestag nur noch 16 Konservative mit Nein. Acht Mitglieder der Fraktion enthielten sich. Die Sozialdemokraten standen bis auf vier Abweichler hinter dem Gesetzentwurf von Sozialministerin Andrea Nahles.
Die SPD-Politikerin sagte im Plenum, dass durch die neuen Regelungen »die Tarifautonomie gestärkt« werde. Das Gesetz sieht vor, dass konkurrierende Gewerkschaften für gleiche Beschäftigtengruppen sich bei Tarifabschlüssen auf eine gemeinsame Linie verständigen müssen. Gelingt ihnen das nicht, gilt der Tarifvertrag der mitgliederstärksten Gewerkschaft. Dass sich kleinere Gewerkschaften wie die Lokführerorganisation GDL dadurch bedroht sehen, konnte Nahles nicht nachvollziehen. Die GDL habe stets für die Lokführer eintreten können, auch bevor das Bundesarbeitsgericht die Tarifeinheit im Jahr 2010 gekippt hatte, sagte die Ministerin.
In den Reihen der Opposition gab es keine Zustimmung für das Gesetz. Fünf Politiker der Grünen enthielten sich, die Linksfraktion stimmte geschlossen dagegen. Der Grünen-Fraktionsvorsitzende Anton Hofreiter wies darauf hin, dass kleine Gewerkschaften das Tarifniveau immer wieder angehoben hätten. Dagegen stehe nun die Politik der SPD.
Zudem kritisierten linke und grüne Politiker die Einschränkungen des Streikrechts kleiner Gewerkschaften. Nahles hatte den Vorwurf in ihrer Rede zurückgewiesen. Linksfraktionsvize Klaus Ernst bewertete dies als eine Täuschung der Öffentlichkeit. »Ein Streik ist nur dann rechtlich zulässig, wenn er zur Erzielung eines Tarifvertrags gilt. Wenn aber diese Gewerkschaft keinen Tarifvertrag abschließen kann, dann ist der Streik automatisch unzulässig«, erklärte Ernst.
Neben Oppositionspolitikern hatten auch einzelne Vertreter der Union in den vergangenen Monaten rechtliche Bedenken geäußert. Womöglich verstößt das Tarifeinheitsgesetz gegen das Grundgesetz.
Denn darin ist die Koalitionsfreiheit, also das Recht zur Gründung und Betätigung von Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden, festgelegt. Mit dieser Argumentation gehen nun unter anderem die Pilotenvereinigung Cockpit und der Deutsche Beamtenbund gegen das Gesetz vor, von dem sie betroffen wären. Cockpit kündigte an, beim Bundesverfassungsgericht Beschwerde einzulegen und mit einem Antrag auf Einstweilige Anordnung zu versuchen, das Inkrafttreten des Gesetzes zu verhindern. Der Bundesvorsitzende des Beamtenbundes, Klaus Dauderstädt, kündigte »umgehend Verfassungsklage in Karlsruhe« an.
Das Gesetz soll den Bundesrat am 12. Juni passieren. Es ist dort nicht zustimmungspflichtig. Die Große Koalition hofft, dass die Regelungen im Juli in Kraft treten werden.
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