Telefonkonferenz zur Griechenland am Donnerstag
Ringen um Freigabe des blockierten Kreditprogramms geht weiter / Athen: Die Gläubiger müssen sich auch bewegen / SYRIZA-Regierung kratz wieder Geld für Rückzahlungen zusammen
Berlin. Im Ringen um eine Lösung des Streits um das von den Gläubigern blockierte Kreditprogramm für Griechenland tickt die Uhr – Athen muss am 5. Juni rund 303 Millionen Euro an den Internationalen Währungsfonds zurückzahlen. In der SYRIZA-geführten Regierung war immer wieder darauf hingewiesen worden, dass dafür keine Reserven mehr vorhanden sind. Man wolle zwar wie in der Vergangenheit auch alle Verpflichtungen erfüllen, hatte Regierungssprecher Gabriel Sakellaridis erklärt. Tatsächlich hat Griechenland bisher alle Rückzahlungen der wegen der Krise erhaltenen Kredite pünktlich erfüllt – während die Gläubiger seit August 2014 kein Geld mehr aus dem laufenden Kreditprogramm überwiesen haben. Das macht sich immer stärker bemerkbar.
Nikos Filis, Fraktionschef der linken Regierungspartei SYRIZA, hatte am späten Montagabend im Fernsehsender Star darauf hingewiesen, dass man kein Geld mehr für eine Rückzahlung habe, wenn es zuvor keine Lösung mit den Gläubigern gebe. Ähnlich äußerte sich Finanzminister Yanis Varoufakis. In deutschen Medien wurde das als Drohung bezeichnet. Varoufakis versuchte es dann noch einmal zu erklären - in einem Interview mit dem Nachrichtensender CNN: Griechenland könne nicht mehr ohne weitere Hilfen der Gläubiger den IWF-Kredit bedienen. Er zeigte sich aber optimistisch, das es bald zu einer Einigung kommen werde.
Die Eurostaaten wollen an diesem Donnerstag auf Ebene der Finanz-Staatssekretäre über den Stand der Verhandlungen beraten. Vor der Telefonkonferenz spielten EU-Diplomaten die Erwartungen herunter. Eine Einigung über ein Reformpaket in Griechenland sei bisher nicht in unmittelbarer Reichweite, hieß es immer wieder. Die Frage ist: Warum?
Die Gläubiger von Europäischer Union und Internationalem Währungsfonds fordern von der seit Januar amtierenden Athener Regierung im Gegenzug für die Freigabe der bisher blockierten letzten Tranche über 7,2 Milliarden Euro umfassende Maßnahmen. Die Gläubiger pochen auf Bedingungen, die SYRIZA nicht erfüllen will. Tatsächlich hat die Regierung in Athen immer mehr Zugeständnisse gemacht. In Athen wird immer wieder darauf verwiesen, dass die SYRIZA-geführte Regierung drei Viertel des Weges zu einem Kompromiss gegangen sei – nun müssten die Gläubiger ihr Viertel auch zurücklegen.
Am Dienstag wurde bekannt, dass die griechische Regierung staatliche Institutionen und öffentlich-rechtliche Betriebe aufgefordert hat, ihre Reserven an die Zentralbank zu überweisen. Es gehe um mehr als 1000 Einrichtungen, darunter Museen, archäologische Stätten und auch TÜV-Stellen, berichtete der staatliche Rundfunk am Dienstag. Bereits im April hatte Athen per Erlass die Geldeinlagen rein staatlicher Stellen sowie Rentenkassen zusammengekratzt, um die Forderungen der Gläubiger zu bedienen. Am 12. Juni ist eine weitere Rate in Höhe von 340,7 Millionen Euro fällig und am 16. Juni und 19. Juni zwei Tranchen in Höhe von 567,8 Millionen Euro und 340,7 Millionen Euro.
Unterdessen will die griechische Regierung Inhaber von Schwarzgeldkonten mit einem Straferlass dazu bringen, sich zu stellen. Wer das Geld noch anmeldet, könnte einen Teil davon retten, betonte Finanzminister Varoufakis vor Journalisten in Athen am Dienstag. Geld von Auslandskonten soll einmalig mit 15 Prozent und von Inlandskonten mit 30 Prozent besteuert werden. Varoufakis kündigte eine baldige Entscheidung der Regierung an. Zudem gab der Finanzminister weitere Pläne bekannt. So könnten Besitzer von umweltfreundlichen Autos der jüngsten Technologie, die bislang von der Steuer ausgenommen waren, zur Kasse gebeten werden. Die Ankündigung einer kleinen Gebühr für Abhebungen von Geldautomaten nahm das Finanzministerium nach kurzer Zeit wieder zurück. Athen lehne dies ab, hieß es nun in einer Mitteilung. Agenturen/nd
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