Nächstes Urteil im »Fall Edathy«
Über die SPD-Mitgliedschaft des ehemaligen Abgeordneten entscheidet eine Kommission der Partei
Falls SPD-Chef Sigmar Gabriel geträumt hat, Sebastian Edathy werde der Partei ein Ausschlussverfahren bis zum ungewissen Ende ersparen und vorher freiwillig den Genossenkreis verlassen: Der Ex-Abgeordnete im Bundestag denkt gar nicht daran. Im März hatte er den Schriftsatz gelesen, mit dem der SPD-Vorstand argumentiert, warum der einst hoch geschätzte Politiker rausgeschmissen werden soll. Trotzig trompetet Edathy nach dieser Lektüre auf Facebook: »Ich wollte ohnehin nicht austreten. Jetzt erst recht nicht!« Nun sieht er dem Urteil entgegen, das die Schiedskommission seines Heimatbezirks Hannover am Montag fällen will.
Der Bundesvorstand wertet Edathys Griff zu Bildern nackter Jungen als »ehrlose Handlung« und erinnert: Eine solche sei schon bei der Gründung der SPD 1890 als Ausschlussgrund im Statut verankert worden. Der Rauswurfkandidat sieht einen solchen Grund nicht gegeben, klagt er doch vor der Facebook-Gemeinde: Falls der Antrag auf Parteiausschluss erfolgreich sein sollte, werde »der Willkür Tür und Tor geöffnet«.
Eröffnet worden war das Parteiordnungsverfahren, wie es formell heißt, im Februar 2014. Schon bald nach Bekanntwerden des Verdachts, Edathy habe sich Kinder- und Jugendpornografie besorgt. Seine Mitgliedschaft ruht seither. »Sein Handeln passt nicht zur SPD«, wetterte Gabriel. Die Parteispitze zeigte sich »fassungslos« über die Fotovorlieben des Genossen, und Generalsekretärin Yasmin Fahimi bezeichnete dessen Tun als »moralisch unkorrekt«.
Die Schiedskommission legte die Sache zunächst auf Eis und wollte erst den Strafprozess abwarten. Der endete im März dieses Jahres mit der Einstellung des Verfahrens. Der Angeklagte musste 5000 Euro Buße an die Jugendfeuerwehr zahlen, die Justiz hat die Akten zum Fall Edathy weggestellt.
Bei der SPD ist das frühestens am Montag möglich, nach dem Spruch der Kommission. Sie setzt sich aus drei Parteimitgliedern zusammen, die juristische Erfahrung haben sollen, aber keine Funktion in der SPD ausüben dürfen. Edathy muss der Runde nicht gegenüber treten. Er habe seine Stellungnahme schriftlich einreichen können, sagte der stellvertretende SPD-Bezirksvorsitzende Ulrich Watermann dem »nd«.
Das Urteil muss keineswegs auf Ausschluss lauten, so sehr sich das Gabriel und Vorstandsgenossen wünschen mögen. Auch den Ex-Bundesbanker und Buchautoren Thilo Sarrazin wollte die Parteispitze partout aus der SPD kegeln - wegen rassistischer Thesen. Ohne Erfolg. Das Ganze endete 2011 damit, dass der Verfasser des Machwerks »Deutschland schafft sich ab« eine gefällige Erklärung abgab - und in der Partei bleiben durfte.
Ebenfalls trennen wollte sich die SPD vom früheren Ministerpräsidenten Nordrhein-Westfalens, Wolfgang Clement. Er hatte 2008 in einem Zeitungsbeitrag empfohlen, nicht die Sozialdemokraten zu wählen; es gab Differenzen in der Energiepolitik. Die Partei startete ein Ordnungsverfahren, es endete ohne den gewünschten Erfolg. Clement erhielt eine Rüge, das war’s. Der Politiker trat kurz darauf freiwillig aus.
Mehr Erfolg in puncto Ausschluss ist der SPD offenbar beschieden, wenn einer der Ihren politisch fremdgeht. So traf der Rausschmiss 1966 den Kabarettisten Wolfgang Neuss, als er Propaganda für die linksorientierte Deutsche Friedensunion machte. Ähnlich erging es dem Liedermacher Franz-Josef Degenhardt. Er warb 1971 für die Deutsche Kommunistische Partei - die SPD feuerte ihn aus ihrer Mitgliederkartei.
Ob sie auch Edathy daraus streichen kann, steht selbst dann noch nicht fest, wenn die Schiedskommission den Ausschluss ausspricht. Gegen ihn kann das Mitglied bei der Bundesschiedskommission der SPD Einspruch einlegen.
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