Spätzündung: Hauskrach bei Bremer Grünen

Personelle Konsequenzen aus Wahlschlappe verlangt

  • Sönke Möhl, Bremen
  • Lesedauer: 3 Min.

Drei Wochen lang haben die Bremer Grünen ihre Enttäuschung über die herbe Wahlschlappe bei der Landtagswahl am 10. Mai hinter verschlossenen Türen aufgearbeitet. Jetzt bricht offener Streit aus. Noch-Fraktionschef Matthias Güldner fordert einem Bericht der Zeitung »Weser-Kurier« zufolge indirekt den Rücktritt von Finanzsenatorin Karoline Linnert. Linnert war Spitzenkandidatin ihrer Partei bei der Bürgerschaftswahl. »Die Frage nach Konsequenzen bei den Senatsmitgliedern stellt sich immer eindringlicher«, zitiert die Zeitung aus einem internen Schreiben Güldners.

Der Parteivorstand reagierte umgehend und schwer verärgert. Personelle Konsequenzen seien bei der Wahlnachbereitung bisher von keiner Seite geäußert worden, teilte der Vorstand am Montag mit. »Ergebnis dieser Beratungen war vielmehr die Forderung nach inhaltlicher Schärfung und offener Beratung von Ressortzuschnitten in den Koalitionsverhandlungen mit der SPD«, schrieb die Landesvorsitzende Henrike Müller in einer Stellungnahme. Ihr Co-Vorsitzender Ralph Saxe sagte, er bedauere den Eindruck, die Grünen seien über Personalfragen zerstritten.

Güldner, der nicht erneut Fraktionschef werden will, erklärte, er wolle sich auch nicht um einen Posten als Senator bewerben. Ihm gehe es darum, zu verhindern, dass die Bremer Grünen selbstzufrieden mit dem Wahlergebnis umgingen. Eine neue Regierungsbeteiligung müsse bei Inhalten, Ressortzuschnitt und Ressortverteilung sowie Personal auf eine neue Legitimationsbasis gestellt werden, verlangt der Noch-Fraktionschef. »Sonst wäre es ja nur ein Fake.« Güldner betonte, er werde die von den Mitgliedern getroffenen Entscheidungen mittragen.

Der designierte neue SPD-Bürgermeister Carsten Sieling reagierte zurückhaltend auf den Streit bei seinem Wunsch-Koalitionspartner. »Da halte ich mich raus. Das müssen die Grünen jetzt in Ruhe diskutieren«, sagte er der dpa. Die Grünen hätten sich nach der Rückzugsankündigung von Bürgermeister Jens Böhrnsen (SPD) auch zurückgehalten. »Das ist normal.« Er habe den Eindruck, dass die Partei wieder eine Koalition mit der SPD eingehen wolle, sagte Sieling. Jetzt werde bei den Grünen intern darüber geredet, wie ihre Rolle aussehen solle. Er habe großes Interesse daran, dass die Partei genau wisse, was sie wolle, sagt Sieling.

Die Grünen wollen am Dienstag darüber entscheiden, ob sie mit der SPD über eine Koalition reden. Auch die Sozialdemokraten treffen sich am Abend zu einem Landesparteitag. Neben der Aufarbeitung des schlechten Wahlergebnisses soll bei der SPD Sieling offiziell als Bürgermeisterkandidat gewählt werden.

Noch in dieser Woche wollen beide Parteien mit ihren Koalitionsverhandlungen beginnen, sofern die Grünen am Dienstag zustimmen. Beide Parteien regieren seit dem Jahr 2007 miteinander im kleinsten Bundesland. In der vergangenen Legislaturperiode hatte Rot-Grün noch eine Zwei-Drittel-Mehrheit, in der neuen Bürgerschaft nur noch 44 von 83 Sitzen. dpa/nd

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