No-Spy-Abkommen: Regierung log auch noch im Januar 2014

Dokumente aus dem Kanzleramt veröffentlicht

  • Lesedauer: 4 Min.
Im Raum steht der Vorwurf der bewussten Täuschung: Das Kanzleramt soll der Öffentlichkeit einen falschen Stand über den Abschluss des No-Spy-Abkommens vermittelt haben - nicht nur im September 2013, sondern auch im Januar 2014.

Am vergangenen Wochenende sah sich endlich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) genötigt, persönlich in die Debatte um das No-Spy-Abkommen einzugreifen: Erstmals wies sie Vorwürfe zurück, das Kanzleramt habe im Zusammenhang mit einem geplanten No-Spy-Abkommen mit den USA gelogen. Auf eine entsprechende Frage der »Süddeutschen Zeitung« antwortete Merkel: »Natürlich nicht. Es gab zwischen der amerikanischen Seite und uns Gespräche, die es möglich erscheinen ließen, ein solches Abkommen zu vereinbaren.«

Es dauerte nicht lange, da gab es neue Indizien, die diese Äußerung Merkels als nicht glaubwürdig erscheinen lassen. Am Mittwoch berichteten Süddeutsche und NDR über neue Dokumente, die belegen, dass die Bundesregierung gegenüber der Öffentlichkeit auch im Januar 2014 wider besseren Wissens von einem möglichen baldigen Abschluss des No-Spy-Abkommens sprach – während aus internen Dokumenten das Gegenteil hervorgeht. Dort wusste man, dass die Verhandlungen mit den USA gescheitert sind. Die entsprechenden Dokumente wurden am Mittwochabend auf der der Internetseite »netzpolitik.org« veröffentlicht.

So heißt am 14. Januar 2014 in einem Geheimvermerk der Abteilungen Außen- und Sicherheitspolitik sowie Koordinierung der Nachrichtendienste im Bundeskanzleramt:

»Deshalb erscheint es nicht angebracht, bereits zum gegenwärtigen Zeitpunkt vom Ende der Verhandlungen zu sprechen. Vielmehr sollte auf die laufenden Gespräche verwiesen werden, die bereits jetzt zu einem besseren Verständnis der gegenseitigen Erfordernisse und Befürchtungen geführt haben. Wir sollten deutlich machen, dass wir unsere Kernanliegen den USA gegenüber weiterhin mit Nachdruck verfolgen.«

Dass die Verhandlungen gescheitert sind bzw. nur unzureichende Ergebnisse versprachen, wird auch aus dem folgendem Zitat aus dem selben Vermerk namens »Stand der Verhandlungen mit den USA zu einer Vereinbarung zwischen BND und NSA sowie zu einer politischen Erklärung« deutlich:

»Im Laufe der Verhandlungen zu einer Vereinbarung zwischen den Diensten ist deutlich geworden, dass die USA nicht bereit sind, alle unsere Petita zu berücksichtigen. Dies gilt vor allem für die Respektierung deutschen Rechts bei Aktivitäten der Fernmeldeaufklärung (SIGINT) auf deutschem Boden sowie die die Zusage, bei nachrichtendienstlichem Vorgehen mit Auswirkungen auf den Partner dessen Interessen maßgeblich zu berücksichtigen (siehe Bezugsvorlage vom 05. Dezember 2013).«

Und dann werden die Autoren noch deutlicher und nennen ein Datum, an dem zuletzt – also zum wiederholten Male – deutlich geworden sei, dass es kein No-Spy-Abkommen geben werde:

»Von US-Seite wurde zuletzt am 11. Januar in einem Gespräch zwischen AL2 und der Sicherheitsberaterin Präsident Obamas, Susan Rice, bestätigt, dass die USA auf absehbare Zeit nicht bereit sein werden, eine Vereinbarung, die diese für uns essentiellen Punkte beinhalten würde, abzuschließen.«

Was aber sagte einen Tag später, am 15. Januar, die stellvertretende Regierungssprecherin Christiane Wirtz, nach dem zwei Tage zuvor die ersten Gerüchte über das Ende des No-Spy-Abkommens durch die Medien gingen?

»Der Stand der Dinge ist im Moment, dass die Verhandlungen andauern und dass mit Hochdruck daran gearbeitet wird, dass man zu einer Einigung kommt.«

Damit setzt sie getreu um, was ihr die Kommunikationsrichtlinie des Kanzleramts vorgibt. Auch andere Spitzenpolitiker halten sich an diese. Der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesinnenministerium, Günter Krings (CDU), und Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) äußern sich am selben Tag ganz ähnlich. Sie taten dies offenkundig mit Blick auf das Treffen zwischen Angela Merkel und Barack Obama im Mai 2014. Auch über die Erwartungen an dieses Treffen gibt es eine interessante Passage in den Geheimvermerk:

»Allerdings sollten wir darauf achten, dass von Ihrer USA-Reise ein positiver Impuls für das künftige transatlantische Verhältnis ausgeht und klar kommunizieren, dass NSA nur ein Thema unter sehr vielen anderen ist.«

Sprich, wirtschaftspolitische und internationale Themen, namentlich genannt wird TTIP, werden von der Regierung als wichtiger als die leidige Spionage eingeschätzt. Wen wundert es da noch, dass das No-Spy-Abkommen offiziell von Obama während des Merkel-Besuchs im Mai 2014 beerdigt wurde? gsp

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