Tropfen auf den heißen Stein
Thomas Händel über den halbherzigen Kampf der EU-Kommission gegen Jugendarbeitslosigkeit in Europa
Die gute Nachricht zuerst: Die Europäische Kommission in Brüssel stellt mit der »Job-Initiative« eine Milliarde Euro für Projekte der Jugendbeschäftigungsinitiative in 21 EU-Staaten bereit, um Jobs für junge Arbeitslose schneller vorzufinanzieren. Das soll 650 000 jungen Leuten helfen. Die schlechte Nachricht: Für 5,7 Millionen arbeitslose Jugendliche in Europa ist das der berühmte »Tropfen auf den heißen Stein«. Das Programm ist grässlich unterfinanziert. Auch bis zum Jahr 2020. Und es mangelt an Kreativität.
Laut Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung haben 16- bis 29-Jährige ein doppelt so hohes Risiko, arbeitslos zu werden als andere Arbeitnehmer in Industrieländern. Als Gegenmittel empfiehlt die Denkfabrik der Industrieländer aber alten Käse: Die Regierungen sollen Rechte wie den Kündigungsschutz oder den Mindestlohn daraufhin überprüfen, wie sehr sie die Einstellung junger Leute verhindern. Neben hinlänglich bekannten - und wenig umgesetzten - Verbesserungsvorschlägen an die Schulsysteme strotzen die weiteren Vorschläge nicht gerade vor Kreativität. Die Anpassung der Kompetenzen der Jugendlichen an die Erfordernisse der Wirtschaft und die Erfassung von willigen Jugendlichen für den Arbeitsmarkt sind nichts Neues - lösen aber auch gar nichts.
Papst Franziskus hat im Europäischen Parlament gefordert, die Beschäftigungspolitik zu fördern, der Arbeit wieder Würde zu verleihen und angemessene Bedingungen für ihre Ausübung zu gewährleisten. Außerdem sollten neue Methoden gefunden werden, um die Flexibilität des Marktes mit der Notwendigkeit von Stabilität und Sicherheit der Arbeitsperspektiven zu verbinden, die für die menschliche Entwicklung unerlässlich seien. Das ist offensichtlich noch nicht angekommen.
Die Ideen der EU-Kommission reichen da nicht aus. Unter anderem könne das Geld »theoretisch« auch für Projekte der dualen Ausbildung - der parallelen Ausbildung in Betrieb und Berufsschule - verwendet werden. Gute Idee - theoretisch! Duale Berufsausbildungssysteme sind nicht nur in Deutschland über Jahrzehnte gewachsen und basieren auf einer ausgeprägten Mitbestimmungskultur. Geld allein reicht da nicht. Und wenn - wie in Griechenland - weit über 200 000 potenzielle Ausbildungsbetriebe durch die Sparorgien in der Krise vernichtet worden sind, fehlt es auch eklatant an betrieblichen Ausbildungsmöglichkeiten.
Alternativen sind möglich: Staaten mit mehr als 25 Prozent jugendlichen Arbeitslosen haben Anspruch auf Fördermittel, aber ihnen fehlen meist die Ausbildungsmöglichkeiten. Die Staaten mit geringerer Quote haben keinen Anspruch auf Förderung, aber - wie Deutschland aktuell - rund 37 000 unbesetzte Ausbildungsplätze. Warum also nicht Jugendliche aus Krisenstaaten zum Beispiel in Deutschland ausbilden? Zieht man die »unversorgten Bewerber« ab, bleiben immer noch 17 000 übrig. Brüssel muss den Weg für transnationale Ausbildungspartnerschaften zum Beispiel über Städtepartnerschaften und Metropolregionen öffnen und fördern. Natürlich gilt es, die dauerhafte Abwanderung von Qualifizierten zu vermeiden. Existierende Programme zeigen aber schon heute den hohen Rückkehrwillen von hier ausgebildeten Fachkräften, die in ihren Herkunftsländern nicht nur beim ökonomischen Aufschwung helfen können. Möglich wäre auch die Stärkung der jeweiligen nationalen Berufsschulsysteme durch gezielte EU-Programme, die erhebliche Reduzierung von nationalen Ko-Finanzierungen ebenso wie die Ausbildung von jugendlichen Asylbewerbern.
Letztlich wird aber nur eine gänzlich andere Wirtschafts- und Industriepolitik die künftigen Arbeits- und Lebensbedingungen nicht nur der jungen Menschen in Europa entscheiden. Das fordert der Papst leider nicht. Sollte er aber - konsequenterweise. Denn die europäische Idee stirbt durch die sozialen und ökonomischen Exzesse der Austeritätspolitik, ökonomische Nationalismen und den Vertrauensverlust der Menschen.
Wer das umkehren will, muss unter anderem eine demokratisch kontrollierte europäische Investitionspolitik fordern, die Arbeit und Einkommen schafft. Wer Europa dem »freien Spiel der Marktkräfte«, den neoliberalen Ajatollahs und den Spekulanten überlässt, schmiedet an den Sargnägeln der Europäischen Union. Dagegen braucht es politischen Gestaltungswillen - national und europäisch.
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