Hohe Hürden in Hessens Großstädten
Schwarz-Grün will Quoren für Bürgerbegehren senken
Ortsumgehungen, neue Discounter-Märkte oder umstrittene Windräder: Darum ging es in der Vergangenheit bei Bürgerbegehren in Hessen. In Frankfurt am Main steht nun am 21. Juni die Abstimmung über den Erhalt der Galopprennbahn an, die der neuen DFB-Akademie weichen soll.
Erfolgreich sind Begehren aber nur, wenn in einer Kommune 25 Prozent aller Stimmberechtigten für die Vorlage stimmen. Kein Wunder also, dass solche Initiativen vor allem in den kleinen Gemeinden und Städten letztlich glücken. Seit 1993 - damals wurde die Gemeindeordnung entsprechend geändert - gab es davon in Hessen 133.
Doch jetzt will die schwarz-grüne Landesregierung die Hürden für Bürgerbegehren in den größeren Städten senken. In einer Stadt von 50 000 bis 100 000 Einwohnern sollen statt 25 künftig 20 Prozent genügen, in Großstädten sogar 15 Prozent. Der Entwurf soll in den kommenden Wochen im Landtag eingebracht werden. Bereits jetzt haben sich aber die Kritiker darauf eingeschossen.
Eine Senkung der Quoren könne dazu führen, dass »eine kleine Minderheit« über das Wohl einer Gemeinde entscheide, kritisiert der Hessische Städtetag. Dort sind vor allem die großen Städte des Landes vertreten. Schon jetzt gebe es in einigen Kommunen die Tendenz, Bürgerbegehren etwa zur Verhinderung von Kindergärten in Wohnvierteln zu missbrauchen, sagt Verbandsdirektor Stephan Gieseler.
Die FDP im Landtag sieht das genauso und spricht von einer »völlig willkürlichen« Staffelung der Quoren. Für Kommunen unterschiedliche Maßstäbe anzusetzen, sei höchst zweifelhaft, meint Fraktionschef Florian Rentsch. Die Landtagsopposition ist in dieser Frage aber keineswegs geschlossen: Die SPD sieht Handlungsbedarf, Bürgerbegehren zu erleichtern. In Hessen seien die Quoren höher als in anderen Bundesländern, sagt der parlamentarische Geschäftsführer der Fraktion, Günter Rudolph.
Der CDU-Abgeordnete Alexander Bauer spricht von »sinnvollen Änderungen«. Die Union hat in dieser Frage aber dem grünen Juniorpartner das Terrain überlassen, der schon lange für mehr Direktdemokratie in den Kommunen kämpft. Bei Großprojekten sei die »Einbeziehung des Volkswillens« unabdingbar, verlangt die Abgeordnete Eva Goldbach. Sie verweist auf die Bürgerbegehren gegen die Olympischen Winterspiele in München und Garmisch, die den Kommunen unnötige Planungskosten und Auseinandersetzungen erspart hätten.
Damit Bürgerbegehren die Ausnahme bleiben, will Schwarz-Grün vorbauen: Entscheide sollen vom Kommunalparlament mit Zwei-Drittel-Mehrheit beschlossen werden, heißt es im Entwurf.
In Großstädten scheinen ohnehin nur ganz große Themen die Bevölkerung zu bewegen. So interessierte in Kassel vor zwei Jahren die Frage, ob drei Stadtteilbibliotheken erhalten werden sollten, die Bürger wenig. Zur Urne gingen nur 16,5 Prozent der knapp 150 000 Stimmberechtigten. Die überwältigende Mehrheit stimmte davon mit Ja. Bei einem 15-Prozent-Quorum, wie es das neue Gesetz will, hätte das Ergebnis in Kassel wohl anders ausgesehen.
Für den Bürgerentscheid in knapp zwei Wochen in Hessens Metropole Frankfurt kommt die Initiative auf jeden Fall zu spät. Die Hürde für die Unterstützer der Galopprennbahn im Streit um den geplanten Bau der Akademie des Deutschen Fußball-Bunds ist daher sehr hoch. Sie müssen bei der Abstimmung eine Mehrheit mit einem Quorum von 25 Prozent erreichen. Das sind rund 120 000 Stimmen. dpa/nd
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