Grexit? Linke warnt, Unionsflügel drängt
Mittelstandsvereinigung will lieber Ausscheiden Griechenlands aus dem Euro als »unzureichenden« Kompromiss mit Athen / Gysi sieht Berlin in der Pflicht, »brutale soziale Verwerfungen« zu verhindern
Berlin. Vor dem Hintergrund des anhaltenden Ringens um das von den Gläubigern blockierte Kreditprogramm für Griechenland ist hierzulande die Debatte über ein mögliches Ausscheiden Athens aus dem Euro neu entfacht worden. Der so genannte Wirtschaftsflügel der Unionsfraktion im Bundestag will lieber einen Grexit als eine Kompromisslösung zwischen den Gläubigern und der SYRIZA-geführten Regierung, die man als unzureichend ansehen würde.
»Wenn wir uns weiter durchwursteln wie bisher, besteht die Gefahr eines Dominoeffekts«, erklärte der Chef der CDU/CSU-Mittelstandsvereinigung, Carsten Linnemann, in der »Rheinischen Post«. Dann würden auch andere Länder denken, warum solle man »schmerzhafte Reformen durchführen, wenn Griechenland es auch nicht tut?« Er forderte zudem eine »Insolvenzordnung«, selbst wenn diese den Euro-Austritt Griechenlands bedeutet. Einen Euro-Austritt Griechenlands halte er »für verkraftbar«, sagte Linnemann.
Vehement dagegen sprach sich der Vorsitzende der Linksfraktion, Gregor Gysi, aus. »Ein Grexit wäre die teuerste Lösung mit brutalen sozialen Verwerfungen in Griechenland und unvorhersehbaren Folgen für den Euro«, warnte der Linkenpolitiker. Die Bundesregierung müsse »von ihrer kompromisslosen hartherzigen Haltung abrücken und alles tun, um ein Ausscheiden Griechenlands aus der Euro-Zone zu verhindern«. Gysi sagte, der Ball liege nicht wie immer wieder behauptet in Griechenland, »sondern bei Angela Merkel, die die verheerenden Konsequenzen eines Grexit gegenüber dem deutschen und dem griechischen Volk zu verantworten hätte«.
Für die SYRIZA-geführte Regierung forderte der Linksfraktionschef »Luft zum Atmen, Aufbauhilfe, Unterstützung beim Aufbau eines funktionierenden Steuersystems, Steuergerechtigkeit und kein weiteres Kürzungsdikta«, Die Kanzlerin und die Institutionen der Gläubiger müssten »endlich begreifen, dass Griechenland im Januar in einer demokratischen Wahl den Weg der sozialen Verelendung, der Massenarbeitslosigkeit, fortwährender Rentenkürzungen, sich verschlechternder Gesundheitsvorsorge, wachsender Staatsschulden und des wirtschaftlichen Niedergangs, der mit den Kürzungsdiktaten verbunden ist, abgewählt hat«. Ein Grexit würde zudem für den Steuerzahler eine Milliardenlast fällt werden.
Griechenland hat zum letzten Mal im August 2014 eine Überweisung von den Gläubigern aus dem laufenden Kreditprogramm erhalten. Seither wird über die von den Gläubigern gestellten Bedingungen gestritten. Linksfraktionsvize Sahra Wagenknecht hatte mit Blick auf die von Athen verlangten Kürzungen erklärt, »Ich denke, SYRIZA kann sich diesen Bedingungen gar nicht unterwerfen, denn damit würden sie politischen Selbstmord begehen. Dann ist es besser, den Schuldendienst einzustellen.« Zur Frage des Grexit verwies sie darauf, dass es »keine rechtliche Handhabe« gebe, »Griechenland nach einem Zahlungsausfall auch aus dem Euro auszuschließen«. nd/Agenturen
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