Baschir in Südafrika - und wieder weg
Sudanesischer Präsident sollte auf Weisung des Obersten Gerichts in Pretoria festgenommen werden
Der sudanesische Präsident Omar al-Baschir ist das einzige Staatsoberhaupt, das je vom Internationalen Strafgerichtshof (ICC) des Genozids angeklagt worden ist. Deshalb reiste er in den vergangenen Jahren nur in Länder, die dem ICC kritisch gegenüberstehen, um so einer Verhaftung zu entgehen. Am Sonntag wurde Baschir jedoch die Ausreise aus Südafrika verweigert, um über seine Auslieferung zu entscheiden - dann verschwand er.
Der 71-Jährige war für einen Gipfel der Afrikanischen Union (AU) nach Südafrika gekommen und am Sonntag zunächst davon abgehalten worden, das Land wieder zu verlassen. Während das Oberste Gericht in Pretoria am Montag noch entschied, ob Baschir verhaftet werden sollte, überschlugen sich die südafrikanischen Medien mit Spekulationen, wohin Baschir verschwunden sei. Wenige Stunden, nachdem er den Gipfel verlassen hatte, ordnete das Gericht seine Festnahme an.
Der Sprecher des südafrikanischen Justizministeriums Mthunzi Mhaga sagte gegenüber dem Onlinemedium News24 am Montagmorgen: »Wir gehen davon aus, dass er noch immer im Land ist, weil wir erst die widersprüchlichen Medienberichte prüfen müssen.« Die Verwirrung begann, als Bloomberg News am Sonntag den sudanesischen Informationsminister Ahmed Bilal Osman zitierte: »Der Präsident hat seine Geschäfte in Südafrika beendet und kommt zurück nach Hause.« Später berichtete die Nachrichtenagentur jedoch, dass Journalisten Baschir wieder bei einer Veranstaltung des AU-Gipfels gesehen hatten. Gleichzeitig schilderte die Zeitung »Mercury« am Montag, wie der sudanesische Präsident das Land samt Polizeieskorte verlassen habe. »Er wurde vom gesamten Sicherheitsdienst begleitet, sowohl von der SAPS VIP Schutzeinheit, der Metro Police und Geheimdienstbeamten«, zitiert die Zeitung von »hoher Stelle« - also von den offiziellen südafrikanischen Sicherheitskräften. Montagmittag berichteten dann Reporter vor Ort, dass Baschirs Jet noch vor der Entscheidung des Obersten Gerichtes in Richtung Khartum geflogen sei.
Baschir wird vorgeworfen, für Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Völkermord während des Darfur-Konfliktes verantwortlich zu sein. Seit Rebellen 2003 zu den Waffen griffen, starben laut den Vereinten Nationen etwa 400 000 Menschen. Mehr als zwei Millionen mussten aus ihrer Heimat fliehen. Dabei wird den Regierungstruppen und verbündeten arabischen Milizen vorgehalten, es im Kampf gegen die Rebellen vor allem auf schwarzafrikanische Zivilisten abgesehen zu haben. Baschir selbst streitet die Vorwürfe vehement ab und entging durch geschickte Reisestrategien schon jahrelang einer Konfrontation mit dem ICC. »Ja, einige Dörfer wurden niedergebrannt, aber nicht in dem Ausmaß, von dem Sie sprechen«, so eine von Baschirs Beschwichtigungsformeln.
Der ICC mit Sitz in Den Haag wurde 2002 ins Leben gerufen, um über Völkermord, Menschenrechtsverletzungen und Kriegsverbrechen zu richten, wenn nationale Gerichte nicht mit ihnen umgehen können. Allerdings ist er darauf angewiesen, dass Mitgliedsstaaten die Verhaftungen ausführen. Sein Verhältnis mit der AU ist sehr angespannt. Manche glauben, der Gerichtshof zöge vor allem afrikanische Staatsoberhäupter zur Rechenschaft.
Bisher hielt sich Südafrika von diesen diplomatischen Querelen fern. Diesmal trat die Regierung ins Fettnäpfchen, als sie Baschir auf dem roten Teppich begrüßte. Die regierende ANC-Partei verkündete, dass »allen Gipfelteilnehmern als Teil der internationalen Normen für Länder, die solcherlei Zusammentreffen der AU oder Vereinten Nationen organisierten«, Immunität gewährt würde. Welche Konsequenzen die Untätigkeit gegenüber Baschirs Flucht und die Missachtung des Obersten Gerichts nach sich ziehen wird, ist bisher unklar. Kommentar Seite 4
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