Frauen-WM? Ja, chauviso!

Aus Gründen der Poltical Correctness Frauenfußball toll zu finden, mag albern sein. Doch es geht noch viel alberner.

Der sehr kluge Schrifsteller Helmut Böttiger hat im aktuellen »Spiegel« einen bemerkenswerten Satz gesagt: »Es gehört eindeutig zur Political correctness, betonen zu müssen, wie toll Frauen Fußball spielen.«

Falsch scheint mir die Beobachtung nicht zu sein. Dass das Hohelied auf die Frauen-WM besonders laut von jenen gesungen wird, die noch keine Minute davon gesehen haben, ist mir in den vergangenen Tagen auch oft aufgefallen. Tatsächlich ist das genau so grotesk, wie die Diskussionen die sich dem Vernehmen nach derzeit in einigen Redaktionskonferenzen abspielen: Die gleichen Redakteure die eine sehr ausführliche Fußball-Berichterstattung aus Kanada im Blatt befürworten, lassen beim Spätdienst den Fernseher lieber aus.

Und die gleiche Redakteurin aus dem Politikressort, die noch bei der Frühkonferenz vehement all jene geißelte, die sich nicht mit Verve als Frauen-Fußball-Maniacs zu erkennen gaben, trifft sich dann abends doch lieber mit ein paar Freunden als sich mal ein Spiel anzuschauen. Böttiger hat also Recht: Bei den Elogen auf Kanada ist viel guter Wille dabei, in vielen Fällen auch schlicht Heuchelei.

Stellt sich nur die Frage, ob böser Wille lobenswerter ist...

Man kann wohl getrost davon ausgehen, dass ohne die ausführliche Berichterstattung bei der Frauen-WM 2011 viele der damals 14-Jährigen heute nicht als junge Erwachsene anschalten würden, wenn an einem Donnerstag Abend um 22 Uhr Deutschland-Norwegen übertragen wird: Fast 34 Prozent Marktanteil hatte die ARD bei dieser Übertragung. Und wenn kleine Kinder heute deutlich seltener als vor 20 Jahren behaupten, dass Fußball ein Männersport sei, hat das eben auch mit einem gesellschaftlichen Wandel zu tun, dem die Medien manchmal hinterherhinken.

Man könnte also mal, ganz political correct (PC) quasi, ein paar Banalitäten festhalten. Aus PC-Gründen Frauen-Fußball toll zu finden, ist albern. Noch alberner ist es allerdings, sein Desinteresse dadurch objektivieren zu wollen, dass man den Sportlerinnen abspricht, Höchstleistungen zu zeigen. Man kann schließlich auch die Formel Eins langweilig finden, ohne den Fahrern abzusprechen, dass sie wissen, wo das Gaspedal ist.

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