Sachsen am häufigsten lebensmüde
Suizide sind rückläufig, aber Hilfe dabei spaltet die Gemüter
10 076 Menschen setzen im Jahr 2013 ihrem Leben selbst ein Ende. Vorsätzliche Selbstbeschädigung nennt das die Statistik vornehm umschreibend. Sie zählte vor zwei Jahren dreimal so viel Männer wie Frauen, die diesen Vorsatz wahr machten. Jeder 100. Todesfall ist ein Suizid. Durch ihn sterben mehr Menschen als durch Verkehrsunfälle, Mord und Totschlag, illegale Drogen und Aids zusammen. Am häufigsten nehmen sich Männer zwischen 45 und 55 das Leben. Die höchste Selbsttötungsrate hatte 2013 Sachsen, gefolgt von Sachsen-Anhalt, Bayern, Thüringen und Schleswig-Holstein. Die geringste Rate gab es in Nordrhein-Westfalen.
Mitte der 70er Jahre war die Anzahl der Suizidtoten doppelt so hoch wie heute, obwohl die Raten einen leichten Anstieg aufweisen. Viele Beobachter führen die gesunkenen Fallzahlen darauf zurück, dass Selbsttötungen kein Tabu mehr sind und psychischen Problemen mehr Aufmerksamkeit gewidmet wird. Offenbar gelingt es häufiger, Menschen zu helfen. Nach Ansicht der Grünen im Bundestag muss allerdings mehr getan werden, um Selbsttötungen - besonders unter alten Menschen zu verhindern. Suizidgedanken würden häufig nicht rechtzeitig erkannt, die Hilfen reichten nicht, heißt es in einem aktuellen Antrag, diese Situation zu ändern.
Den Zusammenhang zwischen der Suizidhäufigkeit und den gesellschaftlich bedingten Lebenslagen der Bevölkerung bestätigte vor einigen Monaten eine groß angelegte Studie der Universität Zürich. Sie konnte belegen, dass sich weltweit jährlich rund 45 000 Menschen im Jahr das Leben nehmen, weil sie keine Arbeit haben oder jemand in ihrem Umfeld von Arbeitslosigkeit betroffen ist. Anhand von Daten aus 63 Ländern zeigten die Forscher auch, dass die Zahl aller Suizide, die in der Finanzkrise im Jahr 2008 direkt oder indirekt mit der Arbeitslosenrate im Zusammenhang standen, neunmal so hoch ist wie bislang angenommen. »Pro Jahr steht weltweit etwa jeder fünfte Suizid direkt oder indirekt mit Arbeitslosigkeit in Verbindung«, sagt Autor Carlos Nordt von der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich.
Suizid ist in Deutschland ebenso wenig verboten wie die Beihilfe zum Suizid. Obwohl keine besorgniserregenden Anstiegstrends zu beobachten sind, wird derzeit im Bundestag eine Debatte über ein Gesetz zum assistierten Suizid vorbereitet. Bislang gibt es vier Positionen: Eine fraktionsübergreifende Gruppe von Abgeordneten will »geschäftsmäßige« Sterbehilfe verbieten. Die Gruppe um Renate Künast (Grüne) will Sterbehilfeorganisationen erlauben und die Bedingungen dafür regeln. Eine Gruppe um die Abgeordneten Peter Hintze (CDU) und Karl Lauterbach (SPD) will Ärzten die Beihilfe zum Suizid ausdrücklich gestatten. Der CDU-Abgeordnete Patrick Sensburg will jede Beihilfe zum Suizid mit bis zu fünf Jahren Haft ahnden. ott
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.