Klassenzimmer in Schnellbauweise
Berlin wächst, die Schülerzahlen wachsen schneller, wie der Schulentwicklungsplan zeigt
Der aktuelle Schulentwicklungsplan für Berlin, der bis ins Jahr 2022 hineinprognostiziert, zeigt eins ganz deutlich: Während in der Stadt bis 2030 knapp 250 000 Menschen zusätzlich leben werden (ein Plus von etwa sieben Prozent), steigt die Zahl der Sechs- bis unter 18-Jährigen allein bis 2020 um 20 Prozent. Berlin braucht also dringend Platz für neue Schüler und das insbesondere im kommenden Schuljahr 2015/16, wie aus den Planungen des Senats hervorgeht.
Statt nun vermehrt neue Schulen zu bauen, setzt die Bildungsverwaltung eher auf Verdichtung. Schulen in modularer Schnellbauweise sind seit den 80er Jahren vor allem in Westberlin als Reaktion auf die steigenden Schülerzahlen entstanden und sollen auch heute noch die pragmatische Antwort auf den anstehenden Platzmangel sein. »Dieser starke Bevölkerungsanstieg innerhalb kürzester Zeit hat u.a. zur Folge, dass die erforderlichen Schulraumkapazitäten nicht zeitgerecht zur Verfügung stehen würden«, heißt es im Schulentwicklungsplan 2014-2018 dann auch. Zusätzliche Kapazitäten sollen außerdem durch die Reaktivierung alter Schulgebäude entstehen. Stefanie Remlinger, bildungspolitische Sprecherin der Grünen im Abgeordnetenhaus, überzeugt das Modulbaukonzept wenig. »Statt auf gezielten Schulneubau zu setzen und für die kommenden Schülergenerationen gute Schulen zur Verfügung zu stellen, setzt der Senat auf Verdichtung und Billigbauweise. ›Modulare Schulergänzungsbauten‹ klingt im Bürokratendeutsch zwar gut, täuscht aber nicht darüber hinweg, dass es sich hier um Provisorien im 21. Jahrhundert handelt«, sagt sie.
Regina Kittler, bildungspolitische Sprecherin der Linksfraktion, möchte die Modulbauten nicht per se »verteufeln«, jedoch würden sie nicht das generelle Infrastrukturproblem lösen, das die steigenden Schülerzahlen mit sich bringen. »Schulhöfe werden durch die geplante Verdichtung immer zugebauter und lassen den Schülerinnen kaum noch Raum. Der Platz in den Mensen reicht an vielen Schulen schon heute nicht«, sagt sie.
Vor allem im Grundschulbereich muss laut der Bedarfsplanung des Senats aufgerüstet werden. Laut Schulgesetz sind an den Schulen mindestens zwei Klassen nötig. Künftig sollen sie einen Spielraum von bis zu vier Zügen pro Jahrgangsstufe bekommen. Insbesondere in den östlichen Bezirken gebe es nach den Jahren, in denen eine Schule nach der anderen aufgrund des Schülermangels geschlossen wurde, wieder erhöhten Platzbedarf. Laut Entwicklungsprognose steigen die Schülerzahlen am stärksten in den Bezirken Lichtenberg, Treptow-Köpenick, Marzahn-Hellersdorf und Pankow. Insgesamt will der Senat in den kommenden zwei Jahren 155 Millionen Euro in Schulbauprojekte stecken.
In Marzahn-Hellersdorf macht sich der Rückbau der Platzkapazitäten seit den 90er Jahren ganz besonders bemerkbar. »Der Mangel an Schulplätzen im Bezirk ist akut«, sagt die bildungspolitische Sprecherin der Linksfraktion in der BVV, Sarah Fingarow. Die Schülerzahlen werden in den kommenden Jahren um 20 Prozent steigen. In einigen Teilen des Bezirks ist besonders der Mangel an Grundschulplätzen eklatant. So etwa im Einzugbereich der Grundschule »Am Fuchsberg« im Ortsteil Biesdorf. »Bisher können wir für viele Schüler in dem Bereich keine wohnortnahe Versorgung gewährleisten. Erstklässler müssen teilweise bis zu zwei Kilometer Schulweg zurücklegen«, sagt Fingarow. Mit der Senatsfinanzverwaltung hatte es Unstimmigkeiten über die Finanzierung eines geplanten Neubaus gegeben. Die Investitionsplanungen des Bezirks für die neue Schule, die künftig bis zu vier Klassenzüge pro Jahrgang aufnehmen soll, waren beim Finanzsenat zunächst abgelehnt worden. »Mittlerweile hat sich die Verwaltung in Bezug auf die neue Schule am Habichtshorst der Einschätzung des Bezirks angeschlossen«, heißt es aus der Finanzverwaltung. Die Mitteilung sei am Montag an den Bezirk gegangen. Das Neubauprojekt in Biesdorf tauchte bereits 2009 das erste Mal im Investitionsplan des Landes auf.
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