Die Toten kommen an
Künstlergruppe beerdigt syrische Geflüchtete auf Berliner Friedhof
Berlin. Die Stühle der geladenen Regierungsvertreter blieben leer. Wären diese gekommen, sie hätten miterleben können, was die Abschottung der Europäischen Union vor Flüchtlingen praktisch bedeutet: Tod und Trauer. Sie hätten eine Beerdigung erlebt, mit Imam, Trauergästen und der Aufmerksamkeit der Presse. Den vielen Tausend anderen toten Flüchtlingen, die im Mittelmeer ertrinken oder an den Zäunen um die EU sterben, ist nichts davon vergönnt.
Die Berliner Künstlergruppe »Zentrum für politische Schönheit« bestattete am Dienstag auf dem muslimischen Friedhof in Berlin-Gatow eine im Mittelmeer ertrunkene Frau. Die Syrerin, deren Namen die Gruppe nicht bekanntgeben wollte, sei mit ihrer zweijährigen Tochter auf dem Weg von Libyen nach Lampedusa ertrunken. Die Beerdigung ist Teil der Aktion »Die Toten kommen«, mit der die Künstler gegen die europäische Flüchtlingspolitik protestieren. Der »Eskalationsbeauftragte« des »Zentrums für politische Schönheit«, Stefan Pelzer, wehrte sich gegen Vorwürfe, bei dem Begräbnis handele es sich um eine Inszenierung. »Wer ernsthaft glaubt, dieses Ereignis sei nur eine Geschichte, ist an Geschmacklosigkeit nicht zu überbieten.«
Die Verantwortlichen für das Sterben und die katastrophale Lage der Flüchtlinge in den Ankunftsländern konnten sich am Dienstag unterdessen nicht auf eine Verteilung der Menschen auf alle Länder einigen. Die Mehrheit der EU-Staaten will sich nicht verpflichten, Flüchtlinge aus Italien und Griechenland aufzunehmen. Die Frage wurde von den Innenministern fast drei Stunden lang diskutiert, es gab aber keine Abstimmung. Insbesondere aus Ost- und Mitteleuropa, darunter vor allem Ungarn und Tschechien, kam Widerstand. Großbritannien, Irland und Dänemark wollen sowieso nicht mitmachen. nd/Agenturen Seiten 6 und 9
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