Gericht: Charité-Beschäftigte dürfen streiken
Klage von Vorstand gegen Ausstand zurückgewiesen / Unbefristeter Arbeitskampf ab Montag
Die Beschäftigten an Europas größter Universitätsklinik, der Charité, dürfen in den unbefristeten Ausstand treten. Das Arbeitsgericht Berlin wies am Freitag den Antrag der Charité zurück, der Gewerkschaft ver.di den ab kommenden Montag geplanten Streik des Pflegepersonals zu untersagen.
Das Gericht sah es nicht erwiesen an, dass durch den Streik die tarifvertragliche Friedenspflicht verletzt werde, weil mit dem Abschluss der noch geltenden Vergütungstarifverträge auch die Personalausstattung geregelt sei, wie die Leitung des Klinikkonzerns argumentiert hatte. Zudem hatte die Klinik auf die angebliche Gefährdung der Patienten durch den Streik verwiesen.
Das Gericht sei deren Versorgung aber durch eine Notdienstvereinbarung gewährleistet. »Das Urteil kann mit dem Rechtsmittel der Berufung an dem Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg angefochten werden«, erklärte eine Gerichtssprecherin am Freitag.
Die Gewerkschaft ver.di begrüßte das Urteil. »Das ist ein guter Tag für die Beschäftigten in den Krankenhäusern«, sagte die ver.di-Verhandlungsführerin Meike Jäger. Der Richter habe die ver.di-Forderung nach Personalmindeststandards und Regelungen für den Gesundheitsschutz als berechtigt angesehen. Außerdem habe das Gericht die Rechtsauffassung der Gewerkschaft bestätigt: »Die unternehmerische Freiheit hört da auf, wo der Gesundheitsschutz für die Beschäftigten anfängt.« Die Charité hatte in den seit zwei Jahren währenden Tarifverhandlungen die Tariffähigkeit der Forderung nach Mindestbesetzungen immer bestritten.
Aus Sicht der Gewerkschaft gefährdet nicht der Streik die Patienten, sondern der derzeitige »Normalzustand«. »Menschen werden nicht unterversorgt, weil Pflegende streiken – Pflegende streiken, weil Menschen unterversorgt werden«, erklärte ver.di. Die prekäre Lage wird als »patientengefährdend« und als »gesundheitsschädigend« für das Pflegepersonal eingeschätzt. Noch am Freitagabend wollten sich die Beschäftigten zu einer Informationsveranstaltung zum Streik im ver.di-Haus treffen. Am Dienstag ist vor der Charité in Mitte ab 15.30 Uhr eine große Demonstration geplant. Der eigentliche Streik soll nach Angaben der Gewerkschaft mit der Frühschicht am Montag starten, die für den Großteil der Mitarbeiter gegen 6 Uhr beginnt. Etwa 500 bis 600 Beschäftigte pro Tag dürften sich den Erwartungen zufolge an dem Ausstand beteiligen. Insgesamt beschäftigt die Klinik 13000 Menschen.
Der Klinikkonzern bedauerte in einer ersten Reaktion die Gerichtsentscheidung. »Selbstverständlich respektieren wir das Streikrecht der Gewerkschaften, halten das Ausmaß jedoch für unverhältnismäßig«, sagte Charité-Sprecher Uwe Dolderer.
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