Blindflug im Aufsichtsrat

Dass der Flughafen nicht eröffnet werden konnte, war für Klaus Wowereit nicht absehbar

  • Bernd Kammer
  • Lesedauer: 3 Min.
Der Ex-Regierungschef kam gut gelaunt in den Untersuchungsausschuss zum BER, um zum dritten Mal zu erklären, wie er seiner Verantwortung im Aufsichtsrat nachgekommen ist. Er muss wohl noch mal wiederkommen.

Zwei Jahre ist es her, das Klaus Wowereit seinen letzten Auftritt im BER-Untersuchungsausschuss hatte. Am Freitag musste er schon zum dritten Mal erklären, wie er seiner Verantwortung im Aufsichtsrat nachgekommen ist. Die Erwartungen hielten sich offenbar in Grenzen. Reichten vor zwei Jahren die Besucherplätze im Parlamentssaal nicht, um den Besucherandrang zu befriedigen, blieben die meisten diesmal frei.

Ansonsten war alles wie immer: Wowereit betont leger, sogar seinen Leinenbeutel von damals, aus dem er ab und an ein paar Unterlagen hervorzog, hatte er wieder dabei. Ein Schuldeingeständnis an der Pleite war natürlich nicht dabei. Noch bis kurz vor der Absage des Eröffnungstermins 3. Juni 2012 habe der Aufsichtsrat, dessen Vorsitzender Wowereit damals war, davon ausgehen können, dass dieser eingehalten werde. Noch am 30. März habe die Geschäftsführung deutlich gemacht, dass sie die Probleme mit dem Brandschutz hinkriege.

Man sei ja hier auf der Veranstaltung »aus Fehlern lernen«, versuchte ihn die Abgeordnete Jutta Matuschek (LINKE) aus der Reserve zu locken. »Im Nachhinein ist man immer klüger«, konterte Wowereit. Er habe sich auch selbst immer wieder die Frage gestellt, was falsch gelaufen sei. Vielleicht, dass der Bau des Terminals nicht an einen Generalunternehmer übergeben worden sei. Das platzte wegen dessen Preisvorstellungen. Bei der Elbphilharmonie in Hamburg sei es aber auch mit einem solchen nicht besser gelaufen, so Wowereit. Vielleicht habe es auch an der Komplexität der Technik, speziell des Brandschutzes gelegen, ein bischen einfacher wäre sicher besser gewesen.

Das zuständige Bauordnungsamt in Lübben hatte schon Anfang März darauf hingewiesen, dass die sogenannte Mensch-Maschine-Lösung, bei der 600 Sicherheitskräfte die Brandschutztüren bedienen sollten, nicht genehmigungsfähig sei. Davon will Wowereit nichts gehört haben, die Geschäftsführung habe jedenfalls darüber nicht berichtet. Außerdem habe es diese Lösung auch schon auf anderen großen Baustellen gegeben, und auch der TÜV habe sich nicht dagegen ausgesprochen. »Wenn es nicht als genehmigungsfähig erschienen wäre, hätten wir nicht noch 14 Millionen Euro dafür bewilligt.«

Ob er nicht wenigstens die Brisanz erkannt habe, als nach den Warnungen die »Taskforce Brandschutz« eingerichtet wurde, wollte Ausschussvorsitzender Martin Delius wissen. Nein, denn dies Gremium sei ja dazu da gewesen, die Probleme zu lösen. »Das fand ich gut.« Er fühle sich deshalb auch nicht von der Geschäftsführung hinters Licht geführt, sagte Wowereit: »Ich habe keinen Anlass, daran zu zweifeln, dass da viele sehr, sehr willig waren, diesen Flughafen zu eröffnen.«

Als Folge der Terminabsage wurde der Generalplaner (PG) BBI entlassen. »Es ist nicht bewiesen, dass das wirklich ein Fehler war«, sagte Wowereit zu der Kritik, der Rauswurf habe das Bauprojekt noch weiter verzögert.

Die ein oder andere Selbsterkenntnisse ist Klaus Wowereit aber doch gekommen. Aus heutiger Sicht hätte vielleicht schon im Dezember 2011 entschieden werden müssen, das Projekt zu verschieben, sagt er. »Das wäre so ein Punkt gewesen, wo man hätte die Notbremse ziehen müssen.« Diese Risikoabwägung sei jedoch unterblieben. Er habe aber Verständnis, das heute alle sagen: Ich war es nicht, sondern die anderen. »Alle waren Teil des Systems.«

»Im Blindflug durch den BER-Nebel«, kommentierten Andreas Otto und Harald Moritz (Grüne) den Auftritt Wowereits, und Jutta Matuschek bewunderte sein Gedächtnis: Er habe seine Rechtfertigungsphrasen wortgleich wiederholt. Das kann er womöglich noch ein viertes Mal, denn Martin Delius will ihn erneut vorladen, dann zum Thema Finanzen. Anfang nächsten Jahres soll dann der Abschlussbericht erarbeitet werden.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.