Bis Austerity Geschichte ist
Sechs Wochen nach der Wiederwahl der Tories fand in London die größte Demonstration gegen Spardiktat und Sozialabbau seit Jahren statt
Unter dem Motto »End Austerity Now« sind am Samstag nach Angaben der Veranstalter etwa 250 000 Menschen gegen den Sozialabbau der konservativen Regierung durch Englands Hauptstadt gezogen. Aufgerufen hatte das breite Bündnis »People’s Assembly against Austerity«, unter den Unterstützern befanden sich neben zahlreichen Einzelpersonen über 100 Parteien, Gewerkschaften, NGOs und linke Gruppierungen. Auch in Liverpool und Glasgow fanden Kundgebungen und Demonstrationen gegen die Kürzungspolitik statt.
Eine Durchsuchungswelle am Vorabend der Demonstration hatte für große Aufregung gesorgt. Mindestens drei Aktivisten aus linken Gruppen wurden dabei präventive Platzverweise ausgesprochen, weil sie schon in der Vergangenheit bei politischen Aktionen Straftaten verübt haben sollen. Lisa McKenzie von der anarchistischen Gruppe »Class War« sieht dahinter »eine klare politische Motivation« sowie »Angst vor Wellen von direkten Aktionen in der ganzen Stadt«. Tatsächlich verlief die Demonstration überwiegend friedlich.
Die konservativen Tories hatten bei den Parlamentswahlen am 7. Mai eine hauchdünne absolute Mehrheit errungen. Ohne Koalitionspartner beschleunigen sie ihre ohnehin scharfe Sanierungspolitik der britischen Wirtschaft auf Kosten des Sozialwesens.
Ein zentrales Thema der Demonstration war daher die sich zuspitzende Verteilung der Vermögen innerhalb der britischen Bevölkerung zu Gunsten weniger. Natalie Bennett, die Vorsitzende der Green Party, beklagt sich: »Austerity lässt die Armen für die Gier und das Versagen der Banker bezahlen«. Dagegen soll eine Neuausrichtung in der Wirtschaftspolitik helfen; anstatt weiter nur zu kürzen solle die Kaufkraft gestärkt werden: »Was dieses Land braucht, ist ökonomischer Auftrieb von unten, wir müssen das Blut wieder zum Pumpen bringen«, sagt die aus Wales stammende Sängerin Charlotte Church. Eine weitere Kritik auf den Demonstrationen richtete sich gegen die zunehmenden Angriffe der Regierung auf Gewerkschaften und das Streikrecht. Der Schauspieler und linke Aktivist Russel Brand möchte an vergangene Jahre anknüpfen: »Ich erinnere mich an starke Gewerkschaften und soziale Verantwortung in diesem Land«. Ebenfalls betroffen ist der Gesundheitssektor NHS, der seit Jahren immer weiter privatisiert wurde - verbunden mit Arbeitsplatzabbau und Serviceverlust. »Gesundheit ist ein Menschenrecht und nichts für Profitmacherei«, mahnt der Anwärter für den Vorsitz der in der Wahl geschlagenen Labour-Partei, Jeremy Corbyn.
Überdies gab es zahlreiche Solidaritätsbekundungen mit der griechischen Linkspartei SYRIZA, die sich auf europäischer Bühne der Austerity-Maßnahmen entgegenstellt. Auf einem Transparent in Glasgow hieß es: »Hätten wir einen Bruchteil des Mutes Griechenlands gegen unsere Starrköpfe oben, würde die Regierung fallen«.
Aus der Demonstration heraus gab es zudem einige kleine Aktionen. Basisgewerkschaften organisierten am Westminster Council Streikposten und direkte Aktionen gegen die Kriminalisierung von Zeitarbeitern im Putz- und Reinigungssektor.
Sam Fairbairn, ein Sprecher des Bündnisses »People’s Assembly«, erklärte die Massendemonstration zum Startpunkt für eine »Kampagne an Protest, Streiks, direkten Aktionen und zivilen Ungehorsams überall im Land - bis Austerity Geschichte ist«.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.