Der Grenzgänger
Mit Leidenschaft machte Andrea Trinchieri die Bamberger zum Basketballmeister
Andrea Trinchieri steht unter Strom. Er schreit, er diskutiert, er dirigiert. Wenn der Italiener an der Seitenlinie auf und ab rennt, ist er ein anderer Mensch. »Manchmal überschreite ich Grenzen«, sagt der Trainer der Brose Baskets Bamberg selbstkritisch, »aber ich arbeite an dieser Schwäche. All das passiert, weil ich meine Leidenschaft zum Beruf gemacht habe.«
Trinchieri, 46, ist Perfektionist. Das sagt er selbst - und seine Spieler auch. Sie haben es nicht immer leicht mit ihm, doch der Erfolg gibt ihm Recht. Gleich in seiner ersten Saison hat der Headcoach die Franken am Sonntag zum Meistertitel geführt. Die Rückkehr an die Spitze hat viel mit Trinchieri zu tun. Als »fordernd, geraderaus, leidenschaftlich, kreativ«, aber auch »wählerisch, etwas cholerisch und viel zu sensibel« beschreibt er sich. Trinchieri hat eine klare Ansprache und klare Vorstellungen. Die Spieler dürfen Fehler machen, aber nicht immer wieder die gleichen. »Beim dritten Mal wird er lauter«, sagt Nationalspieler Daniel Theis.
Eher zufällig ist Trinchieri dahin gekommen, wo er ist. Als er 18 war, fehlte seinem unterklassigen Team ein Coach, er übernahm den Job und erhielt eine Menge Zuspruch. »Ich weiß nicht, ob sie sich gefreut haben, weil sie einen schlechten Spieler weniger hatten«, scherzt er.
Trinchieri ist verbissen, ehrgeizig. »Als ich Basketball gespielt habe, war ich regelrecht süchtig danach«, sagt er. Er verlangt immer 100 Prozent, aus einem ganz einfachen Grund. »Als Spieler arbeitest du vier Stunden am Tag, wenn überhaupt. Wenn du dann nicht alles gibst, ist das etwas, mit dem ich nicht umgehen kann.«
Entsprechend klang seine Vorgabe vor dem entscheidenden Finalspiel gegen Bayern München, das die Bamberger mit 88:84 gewannen und den siebten Meistertitel feierten: »Mach das, was du immer machst. Aber mach es mit mehr Energie.«
Im vergangenen Sommer hatte Trinchieri Chris Fleming abgelöst. Nach einer Serie von Titeln war dem US-Amerikaner eine schlechte Saison zum Verhängnis geworden, die Fans demonstrierten für den heutigen Bundestrainer. Ein Jahr später ist der Groll verflogen, die Bamberger lieben Trinchieri - und Trinchieri liebt Bamberg.
»Da ist ein toller Klub«, sagt der charismatische Coach, Italiener durch und durch: Der Anzug sitzt, die blaue Brille ist etwas extravagant, die Haare sind lang und lockig. Aber Trinchieri hat multikultrelle Wurzeln. Sein Vater wurde in den USA als Diplomatensohn geboren, die Mutter stammt aus Kroatien. Dadurch haben sich im Basketball viele Türen geöffnet. Trinchieri spricht perfekt Kroatisch, Serbisch und Englisch. Die Einflüsse haben ihn geprägt. Italienisch, so sagt er, sei seine Kreativität. Vom Balkan habe er den Sinn für Freundschaft und Loyalität, aus den USA die Effizienz. Das Gesamtpaket passt. Zweimal war Trinchieri in seiner Heimat Trainer des Jahres. Er hat bei fünf italienischen Klubs gearbeitet, ehe er nach Russland zu Unics Kasan ging, zeitgleich war Trinchieri Nationaltrainer Griechenlands. Dann kam der Anruf aus Bamberg.
Trinchieri fühlt sich wohl, das sieht man. Er ist immer für einen Scherz zu haben, in einer Pressekonferenz bestellte er einmal einen Mojito. In Oberfranken hat der Weintrinker seine Liebe zum Bier entdeckt. Es werden also immer mehr Getränke, aber es gibt nur einen Beruf für ihn: »Es ist der beste Job der Welt. Ich gehe nicht um 5 Uhr in eine Fabrik.« SID
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