Der Castorstreit wird schärfer
In vier Bundesländern sollen Strahlenabfälle zwischengelagert werden - doch es gibt Widerstand
Der Streit zwischen Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) und Bayern über die Einlagerung hoch radioaktiven Atommülls eskaliert. Die Reaktion der Landesregierung auf Pläne, einige der 26 Castoren aus ausländischen Wiederaufarbeitungsanlagen im Zwischenlager des AKW Isar bei Landshut zu lagern, sei »nicht angemessen«, sagte Hendricks der »Welt«. Bayern habe jahrzehntelang von der Atomenergie profitiert und sei »mehr als jedes andere Bundesland an der Produktion von Atommüll beteiligt« gewesen. Nun müsse es sich der Mitverantwortung stellen.
Nach monatelangem Hickhack hatte Hendricks am Freitag nach einem Treffen mit den Chefs der deutschen AKW-Betreiber angekündigt, dass die Castorbehälter auf vier Bundesländer verteilt werden. Neben Bayern sollen Baden-Württemberg, Hessen und Schleswig-Holstein Müll aufnehmen. Die Regierungen der drei Länder sind grundsätzlich bereit, an den in Frage kommenden Zwischenlagerstandorten gibt es aber teils massive Widerstände. Streng genommen haben weder die Bundesländer noch die Kommunen ein Mitspracherecht. Die Energiekonzerne müssen Transportanträge für Zwischenlager stellen, das Bundesamt für Strahlenschutz muss sie genehmigen.
Bereits am Freitag hatte Bayerns Staatskanzleiminister Marcel Huber (CSU) gegen den Vorschlag aus Berlin geätzt. Er sei »politisch unklug und dreist«. Am Montag legte Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) nach. Hendricks verstoße gegen koalitionäre Umgangsformen. »Wir haben vereinbart, dass wir alle Fragen der Energiewende im Zusammenhang entscheiden«, sagte er.
»Ich war von den Socken, dass hier eine kleine Hinterzimmerverhandlung stattgefunden hat«, sekundiert Landshuts Oberbürgermeister Hans Rampf (CSU). Landrat Peter Dreier (Freie Wähler) kündigt an: »Unsere Region wird sich gegen diese Pläne vehement zur Wehr setzen.«
Hubertus Zdebel, Atomexperte der LINKEN im Bundestag, findet Bayerns Blockade dagegen »skandalös«. Seehofer und Co. sabotierten die ohnehin schwierigen Bemühungen, einen Konsens beim Umgang mit dem gewaltigen Atommüllproblem zu finden. Zwar gebe es gute Gründe, das vorläufige Konzept zu hinterfragen. Vor allem Sicherheitsbelange müssten noch einmal auf den Prüfstand. Und es müsse klar sein, dass die Unternehmen die Kosten der Zwischenlagerung übernähmen. »Es gibt aber keinen Grund, sich der Verantwortung zu verweigern, wie Horst Seehofer es jetzt tut«, sagte Zdebel.
Allerdings gibt es nicht nur in Bayern Widerstand: Auch die als Castorparkplatz ausgeguckte Gemeinde Philippsburg in Baden-Württemberg stellt sich quer und kündigt juristische Schritte an. Falls alle rechtlichen Möglichkeiten ausgeschöpft sein sollten und tatsächlich ein Atommülltransport anrolle, »werden wir uns auch mit zivilem Ungehorsam zur Wehr setzen«, sagte Bürgermeister Stefan Martus (CDU) gegenüber »nd«.
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