Stillen mit Glyphosat
Muttermilch ist mit Chemikalie belastet / Grüne fordern Zulassungsverbot
Glyphosat ist der am häufigsten verwendete Wirkstoff von Unkrautvernichtungsmitteln. Agrarbetriebe benutzen ihn zur Besprühung ihrer Äcker, Kommunen zur Pflege öffentlicher Parkanlagen, Kleingärtner zum Schutz ihrer Gemüsebeete. Der US-Konzern Monsanto - führender Hersteller sowohl glyphosathaltiger Unkrautvernichter als auch gentechnisch veränderter glyphosatresistenter Nutzpflanzen - vertreibt jedes Jahr Millionen Tonnen seines Verkaufsschlagers Roundup.
Kein Wunder also, dass das Breitbandherbizid fast überall zu finden ist - in Böden, Nahrungsmitteln und Grundwasser. Und in Muttermilch. Das ergab eine Stichprobe, die die Grünen-Fraktion im Bundestag bei einem biochemischen Labor in Leipzig in Auftrag gegeben hatte. Laut der Studie, die am Freitag vorgestellt wird und »nd« vorliegt, wies die Milch aller 16 getesteten stillenden Mütter einen Glyphosatgehalt auf, der teils erheblich über dem geltenden Grenzwert von 0,1 Nanogramm pro Milliliter (n/ml) Trinkwasser lag. Zwischen 0,2 und 0,4 n/ml fanden die Tester. Auch im Urin der 30- bis 39-jährigen Frauen aus ganz Deutschland fanden sich Rückstände des Unkrautvernichtungsmittels.
Dass die Chemikalie gesundheitsschädlich ist, scheint nach einigen Studien recht sicher. Zu genauen Auswirkungen und Langzeitfolgen fehlen jedoch Daten. Ende März stufte die Weltgesundheitsorganisation Glyphosat als »wahrscheinlich krebserregend« ein. Das Umweltbundesamt warnt zudem bereits seit Längerem vor der giftigen Wirkung des Unkrautvernichters auf die Umwelt. Mitte Mai forderten die Verbraucherschutzminister der 16 Bundesländer ein vorläufiges EU-weites Verkaufsverbot an Privatpersonen, die Handelskette Rewe kündigte an, bis Ende September glyphosathaltige Unkrautvernichter aus ihren Toom-Baumärkte zu entfernen.
Nur die Bundesregierung habe beim Thema Glyphosat Scheuklappen auf, meint Harald Ebner, Sprecher für Gentechnik- und Bioökonomiepolitik der Grünen-Fraktion. Ende 2015 läuft die EU-weite Zulassung für die Chemikalie aus. Deutschland hat - ungeachtet vieler warnender Stimmen - im Mai einen Bericht an die EU geschickt, in dem eine Zulassungsverlängerung um zehn Jahre empfohlen wird. Die Ergebnisse der Muttermilchstudie zeigten aber deutlich, dass gehandelt werden müsse, so Ebner: »Bundesregierung und Bundesinstitut für Risikobewertung dürfen nicht schon wieder mit dem zynischen Vorschlag reagieren, die Grenzwerte weiter zu erhöhen.« Die Zulassung müsse ausgesetzt werden, bis Gesundheitsrisiken geklärt seien. Er forderte die Regierung zudem auf, breitere Studien in Auftrag zu geben und Schutzmaßnahmen für Schwangere, Stillende sowie Säuglinge zu ergreifen.
Panik verbreiten oder gar vom Stillen abraten wolle man keineswegs, so Ebner. Muttermilch sei die beste Nahrung für Babys. Eine offene Debatte über das Problem führe aber eher zu den notwendigen Veränderungen, so der Politiker.
Auch Biochemikerin Irene Witte von der Universität Oldenburg hält die Ergebnisse für alarmierend: »Ich hätte nicht mit solch hohen Rückstandswerten in der Muttermilch gerechnet, da Glyphosat stark wasser- und nicht fettlöslich ist.« Sie forderte weitgehendere Untersuchungen mit größeren Testgruppen.
Die Bundesregierung scheint aber nicht interessiert daran, ihre weniger verbraucher- als vielmehr konzernfreundliche Haltung aufzugeben: Vor einer Woche scheiterte ein Antrag der LINKEN zum Glyphosat-Verbot im Bundestag, ein Antrag der Grünen wurde zur Beratung in die Ausschüsse verwiesen.
Doch die Verbraucher werden ebenfalls aktiv: Über 250 000 unterzeichneten bereits eine Petition der Kampagnenorganisation Campact, die sich für ein vollständiges Glyphosat-Verbot einsetzt.
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