Zeit zu handeln
Alexis Tsipras kündigt ein Referendum über den Gläubiger-Vorschlag am 5. Juli an. Es ist ein Befreiungsschlag, Chance und Risiko zugleich
In den letzten Tagen sah es so aus, als ob die griechische Regierung sich immer mehr den Gläubiger-Institutionen beugen würde. Der Griechenland-Krimi ähnelte einem Tatort, mit etwas Spannung aber einem absehbaren Ende. Es wäre deprimierend gewesen, weil es jegliche Hoffnung auf Veränderungen in Europa zunichte gemacht hätte.
Wäre Tsipras der Logik von Merkel und Co. gefolgt, sich kurzfristig von Krisensitzung zu Krisensitzung zu hangeln, dann hätte es ihm letzlich auch den Kopf gekostet. Denn Berlin, Brüssel und der IWF machten keinerlei Anstalten, nur ein Schritt auf die SYRIZA-geführte Regierung in Athen zuzugehen. Einer Umschuldung etwa, die im weiteren Verlauf der Gespräche denkbar gewesen wäre, ereilten sie immer wieder die Absage. Letzten Endes geht es Merkel, Schäuble und so weiter nämlich nur um eins: den »regime change«. Tsipras und Varoufakis sollen sich einreihen in den Chor der neoliberalen Ja-Sager und Durchboxer von Reformen gegen die Mehrheit der Bevölkerung, gegen die oft zitierten 99 Prozent.
Dass Tsipras nun ein Referendum durchziehen will, zeigt, dass er das Mandat, das er im Winter vom griechischen Volk erhalten hat, ernst nimmt. Schließlich wurde er gewählt, damit Griechenland von dem Würgegriff der Troika befreit wird. Deswegen war und ist Tsipras auch ein Hoffnungsschimmer für all diejenigen, die ein Ende der Austerität und ein anderes Europa wollen.
Tsipras Move wird Merkel, Schäuble, Juncker und Co. nicht schmecken. Schließlich haben haben sie bereits im Jahr 2010 den damaligen PASOK-Ministerpräsidenten Papandreou daran gehindert, die griechische Bevölkerung über die Sparmaßnahmen abstimmen zu lassen. Es liegt nun an ihnen, auf Tsipras und die Menschen in dem Krisenland zuzugehen oder an der zynischen Sparpolitik festzuhalten und Griechenland aus der Eurozone zu drängen.
Auch wenn ein gemeinsames Europa mehr sein sollte als eine gemeinsames Währungssystem, ja ein offenes und solidarisches Europa die Hegemonie der Märkte hinter sich lassen sollte, so ist es doch zumindest der kleinste gemeinsame Nenner, den man gemein hat. Zudem würde ein Grexit nicht nur in Griechenland, sondern auch in Deutschland, Frankreich und anderswo sonst zu enormen wirtschaftlichen Verwerfungen führen. Vor allem würde die herrschende politische Klasse damit Europa für gescheitert erklären. Denn die rechtspopulistischen und nationalistischen Kräfte, die seit geraumer Zeit zusehends erstarken, würden dann erst richtig an Fahrt gewinnen.
Doch die Institutionen werden nur ihre Richtung ändern, wenn sie dazu gezwungen werden. Somit ist Tsipras Referendum eine Aufforderung für alle Kräfte, die ein solidarisches und offenes Euroa wollen, jetzt zu handeln. Es ist eine Aufforderung für die Sozialdemokraten, endlich Farbe zu bekennen. Und es ist eine Aufforderung für die Linke in den Parlamenten und in den Bewegungen den Kampf um den eigenen Wunsch nach Veränderung, den Kampf um Hegemonie endlich ernst zu nehmen. Auf die Straße! Handeln! Jetzt!
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