Früher Verschleiß ist Kundenbetrug

Fachtagung des Bundesumweltamtes suchte nach Strategien gegen Obsoleszenz

  • Ulrike Henning
  • Lesedauer: 3 Min.
Eine Waschmaschine für unter 500 Euro ist schnell kaputt. Wer ein langlebigeres Gerät haben will, muss laut Stiftung Warentest tiefer in die Tasche greifen.

Die Waschmaschine läuft seit 17 Jahren ohne Reparatur - eine derart zufriedene Aussage dürfte immer seltener werden. Hersteller aller möglichen Konsumgüter setzen immer häufiger darauf, dass ihre Produkte nicht lange funktionieren. Die Zeit bis zum Verschleiß scheint kürzer zu werden. Sie endet genau nach Ablauf der Garantiepflicht, vermuten viele Kunden. Das wäre dann ein klassischer Fall von geplanter Obsoleszenz. Der vorzeitige Verschleiß nützt Produzenten, die neue Geräte-Generationen verkaufen wollen. Andererseits sortieren Verbraucher Smartphones oder Rechner schon dann aus, wenn sie noch funktionieren. Manchmal ist veraltete Software ein Problem, nicht austauschbare Akkus oder Leuchtdioden bei modernen Lampen machen den Kauf zu schnell wertlos. Wertvolle Komponenten werden noch lange nicht umfassend recycelt.

Deswegen beschäftigte sich eine Fachtagung des Bundesumweltamtes vergangene Woche in Berlin mit den verschiedenen Aspekten der Obsoleszenz. Teilnehmer aus Forschung, Industrie und Politik suchten nach Ansätzen gegen Ressourcenverschwendung. Hubertus Primus, Vorstand der Stiftung Warentest, verwies auf aufwendige Lebensdauertests von Waschmaschinen, die 300 Tage laufen. Der Jurist kann in diesem Fall die Lebensdauer im Preis darstellen: »Ein Gerät unter 500 Euro wird früh in die Knie gehen«, so die komprimierte Erfahrung. Ähnlich bei Staubsaugern: »Unter 80 Euro gibt es schnell Mängel in der mechanischen Stabilität.«

Verbrauchertag im Zeichen des Teilens

Teilen hat Konjunktur  –  vor allem, wenn man damit etwas verdienen kann. Längst geht es bei der sogenannten Sharing Economy um mehr als Leih-Bohrmaschinen oder Mitfahrgelegenheiten. Das Internet mischt auch hier Märkte auf. Das Für und Wider wird an diesem Montag auf dem Deutschen Verbrauchertag in Berlin diskutiert.

Man muss nicht alles besitzen, um es zu nutzen. Das galt schon immer. Einfachstes Beispiel: die Mietwohnung. Länger als das Internet gibt es auch lokale Tauschringe mit Angeboten aus der Nachbarschaft – nach dem Motto »Suche Nähmaschine, biete Fensterputzen.« Internet und Apps machen das Teilen nun viel leichter: Ob ein Büro für paar Tage oder ein Privatzimmer für den Wochenendtrip – alles kann man sich über das Netz kurzfristig und für kurze Zeit sichern. Und es klingt irgendwie positiv – von Mensch zu Mensch. Das »Teilen« (englisch »to share«) der Sharing Economy hat dabei aber weniger mit Gutherzigkeit zu tun als mit Verdienstmöglichkeiten – für die Eigentümer wie für die Vermittler.

Die Sharing Economy hat auch ihre Schattenseiten. Der Fahrdienstvermittler Uber etwa ist schon ein Dauerbrenner bei deutschen Gerichten, weil er auch Privatleute zu Chauffeuren macht. »Teilen ja, Ausbeuten nein«, heißt es beim Deutschen Gewerkschaftsbund. Bei vielen Angeboten verdienten vor allem die Vermittler schnelles Geld. Kündigungsschutz, Mindestlöhne, Arbeitsschutz- und Arbeitszeitregeln müssten auch für die neuen digitalen Angebote gelten, etwa für Menschen, die sich im Netz als Putzkraft vermitteln lassen – manchmal hart an der Grenze zur Scheinselbstständigkeit.

Auch auf andere Bereiche hat das vorgebliche Teilen negative Auswirkungen: Seit über Airbnb und andere Portale Hunderttausende Wohnungen in aller Welt günstig an Touristen vermietet werden, wird etwa in so manchen Szenebezirk Berlins günstiger Wohnraum noch knapper, weil die an die so vermieteten Wohnungen auf dem regulären Mietmarkt fehlen. dpa/nd

Obsoleszenz wird für Primus vor allem zum Problem, wenn Geräte für die längerfristige Verwendung gekauft werden. »Die Hersteller sollten sich bei der Lebensdauer ehrlich machen«, so Primus. Ein Beispiel seien Bohrmaschinen einer großen Firma, die es sowohl in einer Handwerker- als auch in einer Heimwerkerausführung gebe. »Die Hersteller wissen ganz genau, wie lange ihre Produkte halten.« Andererseits hätten die Tests der Stiftung auch schon Auswirkungen auf die Industrie gezeigt.

Klaus Mittelbach Geschäftsführer des Zentralverbandes der Elektro- und Elektronikindustrie (ZVEE) hingegen stellte zufrieden fest, dass im Mittelpunkt der Debatte nicht mehr die geplante Obsoleszenz stehe, sondern eher Fragen der Lebensdauer und Reparaturfähigkeit. Andererseits verwehrt er sich schnell gegen gesetzliche Regulierungen »zu nahe am Produkt«, ansonsten sehe er die 850 000 hoch bezahlten, produzierenden Arbeitsplätze in der Elektroindustrie in Gefahr. Weniger eine Bedrohung als eine Chance für deutsche Unternehmen wäre es für Ingmar Streese von der Verbraucherzentrale-Bundesverband, wenn die Anforderungen an die Lebensdauer verschärft würden. In der Diskussion wurde vom ZVEE mehr Initiative gefordert: So sollte die Frage austauschbarer Akkus und frei verkäuflicher Ersatzteile von der Industrie in einer Art freiwilliger Selbstverpflichtung gelöst werden.

Für Dietmar Horn vom Bundesumweltministerium bewegen sich bisherige Normierungsversuche zwischen der Ökodesign-Richtlinie der EU - mit Mindestanforderungen - und dem »Blauen Engel« am oberen Ende der Skala. Diese Richtlinie solle man häufiger anwenden. Mit ihr sollten mehr Produktgruppen erfasst werden, nicht nur in Bezug auf Energieeffizienz, sondern auch auf Haltbarkeit und Reparierbarkeit. Horn beklagte zugleich, dass der »Markt« - und damit die Masse der Verbraucher - nicht nachhaltig orientiert seien.

Frankreich gilt mit einem Gesetz zur geplanten Obsoleszenz in Fachkreisen vielen als Vorreiter. Dort soll das beabsichtigte schnelle Altern insbesondere von Elektrogeräten ab einem bestimmten Preis als Betrug bestraft werden. Auch Informationen über die Verfügbarkeit von Ersatzteilen werden zwingend. Verbraucherschützer Streese wies außerdem auf einen Gesetzentwurf aus Italien hin, nach dem eine Mindestlebensdauer von 10 Jahren für bestimmte Produkte gefordert wird. Dort habe eine Umfrage außerdem ergeben, dass 85 Prozent der Italiener Geräte und anderes lieber reparieren.

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