Sirisena in den Mühen des Tagesgeschäfts
Sri Lankas Präsident kämpft bei der Umsetzung von Reformen mit schwindendem Rückhalt im eigenen Bündnis
Unter den Teilnehmern einer Massenkundgebung, die das Rajapaksa-Lager dieser Tage in Matara abhielt und auf der auch der frühere starke Mann explizit bekundete, bei den nächsten Parlamentswahlen als Spitzenkandidat antreten zu wollen, waren 75 Abgeordnete. Das ist etwa ein Drittel des Parlaments, und darunter befanden sich nicht wenige aus dem Sirisena-Lage - die sich damit über ein Verbot der Führung ihrer Sri Lanka Freiheitspartei (SLFP) hinwegsetzten. Deren Chef ist Präsident Maithripala Sirisena. Was aber bis heute nicht heißt, dass er auf sie bauen kann. Etliche SLFP-Politiker halten nach wie vor Mahinda Rajapaksa offen die Treue. Andere hatten sich in den vergangenen Monaten mit einem eindeutigen Bekenntnis zurückgehalten, wollten erst einmal ausloten, wie sich die Machtverhältnisse gestalten, um dann ihr Fähnlein nach dem Wind zu hängen. Nur die eigene Wiederwahl im Auge, wollen sie zunehmend einen Fuß im Rajapaksa-Lager haben.
Der Ex-Präsident befindet sich spürbar im Aufwind. Jüngst veröffentlichte Trends besagen, dass viele Bürger trotz laufender Ermittlungsverfahren gegen Spitzenvertreter der Vorgängerregierung wegen Amtsmissbrauchs und Korruption dieser weniger ablehnend gegenüberstehen als zur Wahlzeit im Januar. Sirisena, bei Amtsantritt von einer breiten Wechselstimmung getragen, hat seinen Kredit teilweise verspielt. Das liegt weniger an persönlichem Versagen als vielmehr an der mangelnden Fähigkeit des nunmehrigen Staatsoberhauptes, alle Teile des eigenen Regierungsbündnisses auf dem Reformweg weiter mitzunehmen. Die SLFP zerfällt immer offener in zwei Teile und ist parlamentarisch in den wichtigen Abstimmungen keine sichere Bank. Verlässlicher ist da schon die Vereinigte Nationalpartei (UNP) von Premier Ranil Wickremasinghe, bisher stärkste Stütze beim politischen Umbau.
Doch auch die UNP macht aktuell Schwierigkeiten, verweigert sich beim Verfassungszusatz, der eine umfangreiche Wahlrechtsreform festschreiben soll. Zwar gehen Wickremasinghe & Co. mit, das bisher nach britischem Muster und in vielen Ex- Kolonien des Empire verbreitete reine Direktwahlsystem durch ein gemischtes Verfahren zu ersetzen. Im Falle Sri Lankas hätte dies allerdings negative Folgen für die zumeist nur in einzelnen, eng begrenzten Regionen starken Kleinparteien, weshalb der Präsident als Ausgleich die Zahl der Abgeordneten von 225 auf 255 anheben will.
Davon will die UNP mit Verweis auf die Mehrkosten nichts wissen. Eine angeblich im Kabinett erzielte Einigung über 237 Sitzen als Kompromiss wurde nach einem UNP-Spitzentreffen anschließend dementiert. Die Kleinparteien fürchten um ihren Einfluss. Da verwundert es nicht, dass sich Spitzenvertreter von mehr als einem halben Dutzend Gruppen, darunter mehrere Minister, jenseits aller Grenzen von Regierungs- und Oppositionsbündnis trafen, um ein gemeinsames Vorgehen in dieser Frage auszuloten.
Die Kleinen sehen sich durch die Wahlrechtsänderung in ihrer Existenz bedroht, wie nicht nur Rauff Hakeem sagte, der Chef des Sri Lanka Muslim Congress. Er sieht sich bei diesem Thema in ungewohnter Einigkeit mit der Volksbefreiungsfront oder der Tamilischen Nationalen Allianz.
Das Wahlrecht ist nicht der einzige Punkt der Reformagenda, der stockt. Auch die unabhängigen Organe, die Sirisena installieren möchte, um künftig eine Machtkonzentration in den Händen einer Person oder einen kleinen Clique zu verhindern, kommen nicht richtig in Gang. Für die Abstimmung über die Mitglieder des Verfassungsgerichts als Rückgrat dieses Kontrollsystems hat er noch keine Mehrheit in seinem Sinne sicherstellen können.
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