Kritik an »Fortschrittsverhinderung«

Die IG Metall Berlin-Brandenburg-Sachsen freut sich über steigende Mitgliederzahlen

  • Jörg Meyer
  • Lesedauer: 3 Min.
Bei der Bezirkskonferenz in Dahlewitz bei Berlin ging es besonders um faire Arbeit und die Arbeitszeit. Die IG Metall plant eine neue Kampagne gegen Werkverträge.

Scharfe Kritik äußerte IG-Metall-Vorstandsmitglied Christiane Benner am neuen Bürokratieentlastungsgesetz. Eine »Selbstentmachtung der Politik« nannte sie das am 1. Juli in Kraft getretene Gesetz am Donnerstag vor GewerkschafterInnen im brandenburgischen Dahlewitz bei Berlin. Die enthaltene »One in - One out«-Regelung sei kein Fortschritt, sondern verhindere diesen. Die Regelung besagt, dass für jedes neue Gesetz, das in Kraft tritt, ein altes abgeschafft werden soll. Benner kündigte überdies an, dass die größte DGB-Gewerkschaft nach dem Sommer ihre Kampagne gegen die Ausweitung von Werkverträgen ausweiten will. Zur Begründung führte sie ein Positionspapier der Arbeitgebervereinigung BDA an. Darin sei unter anderem von der Abschaffung der täglichen Höchstarbeitszeit, von Regelungen zur Wochenendarbeit oder der Abschaffung von »verzögernden« Elementen der Mitbestimmung die Rede. Für die Gewerkschafterin und designierte Zweite Vorsitzende der IG Metall ein breiter Angriff auf die Rechte der Beschäftigten.

Bei hochsommerlichen Temperaturen auch im Konferenzsaal trafen sich die Delegierten des IG-Metall-Bezirks Berlin-Brandenburg-Sachsen und Gäste zu ihrer jährlichen Bezirkskonferenz. Der Bezirk umfasst ein Gebiet, das von Frankfurt (Oder) bis nach Brandenburg an der Havel und von Prenzlau über Berlin und Leipzig bis nach Chemnitz und Bautzen reicht. Rund 154 000 Mitglieder werden von 13 Verwaltungsstellen vertreten. Insgesamt nahmen an der Konferenz unter dem Motto »Gerechtigkeit - Demokratie - Zukunft« rund 150 Menschen teil.

Der brandenburgische Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) dankte in seiner Begrüßung der IG Metall, die »schon von der Fachkräftesicherung gesprochen hat, als die meisten Unternehmer noch im Tiefschlaf waren«. Fachkräftesicherung fange für ihn schon in den Kindertagesstätten an. Die Energiewende war das zweite große Thema, das Woidke ansprach. »Die Arbeitsplätze in der Braunkohle sind so lange erhaltenswert, bis es zuverlässige Energien aus erneuerbaren Quellen gibt«, sagte er und plädierte dafür, nicht bloß Primärenergie zu fördern, sondern auch »endlich den Schritt zu gehen«, auch die Energiespeicherung zu fördern.

Die Vorsitzende des DGB-Bezirks Berlin-Brandenburg, Doro Zinke, sprach in ihrem Grußwort ein Thema an, das auch in den nächsten Jahren die Politik der IG Metall prägen wird - die Arbeitszeit. Neue Arbeitszeitmodelle und die Flexibilisierung der Arbeitszeit wird auch beim Gewerkschaftstag in Frankfurt am Main im Oktober eine wichtige Rolle spielen. Dort wird die Politik der IG Metall für die nächsten vier Jahre festgelegt. Beim letzten Gewerkschaftstag in Karlsruhe im Oktober 2011 stimmten die Delegierten über rund 500 Anträge ab. Im Gegensatz dazu gehen die jährlichen Bezirkskonferenzen im Bezirk Berlin-Brandenburg-Sachsen meist zügig über die Bühne. Die Antragsberatungen fanden in den letzten Monaten in den Verwaltungsstellen statt. Das ist das Modell der IG Metall, Anträge kommen von vor Ort, weil die betriebliche Politik auch vor Ort passiert, so die Begründung. Doch die angesprochenen Themen dürften auch den Gewerkschaftstag prägen.

Berlin-Brandenburg-Sachsen hat sich selbst den Namen »Innovationsbezirk« gegeben. Und es läuft dem Vernehmen nach gut. In seiner Rede zum Geschäftsbericht zeigte sich Bezirksleiter Olivier Höbel zufrieden mit der 2014 um 2,7 Prozent gestiegenen Zahl der betrieblichen Mitglieder. Überdies habe auch die Vertretung in den Betrieben ausgebaut werden können. »Rund 6000 Betriebsräte in knapp 1000 Betrieben vertreten über 226 000 Beschäftigte. Insbesondere die junge Generation bringt frischen Wind für eine starke Interessenvertretung mit.«

Ein anderes Thema, das Höbel umtreibt, ist der Umgang mit Flüchtlingen und der Kampf gegen Rechts. Besonders aus Sachsen reißen die Nachrichten über Rassismus und Gewalt nicht ab. »Beschämend«, sagte er. »Die Starken müssen für die Schwachen einstehen. Das ist die Grundlage für jeden Gewerkschafter.« Er würde sich darum freuen, »wenn der eine oder andere junge Flüchtling einen Ausbildungsplatz in einem Metallbetrieb finden würde«.

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