David besiegt Goliath
Prokon-Gläubiger stimmen für Genossenschaftsmodell
Die Gläubiger der insolventen Prokon Regenerative Energien GmbH haben sich am Donnerstag für die Fortführung von Prokon als Genossenschaft ausgesprochen. Auf der Gläubigerversammlung in den Hamburger Messehallen hatten sie die Wahl zwischen zwei verschiedenen Plänen. Entweder Prokon würde an den landeseigenen Energiekonzern EnBW aus Karlsruhe verkauft, oder die Anleger selbst übernähmen Prokon und führten das Unternehmen als Genossenschaft fort. Insolvenzverwalter Dietmar Penzlin hat die Möglichkeiten in einem 272 Seiten starken Schreiben an die Anleger zusammengefasst.
Beide Modelle wurden von einflussreichen Interessengruppen vertreten. Sie kämpften seit Wochen medienwirksam um Anleger. Auf der einen Seite EnBW mit dem Budget eines staatlichen Großkonzerns. Auf der anderen Seite der Verein »Die Freunde von Prokon« mit seinen nach eigenen Angaben mehr als 10 000 Mitgliedern.
Der jetzt eingeschlagene Weg ist nicht risikolos. Durch die Umwandlung in eine Genossenschaft liegt die prognostizierte Insolvenzquote zwar etwas höher als bei dem EnBW-Angebot, nach einer aktuellen Schätzung bei 57,8 Prozent. Allerdings bekommen Anleger in der Genossenschaft vorerst keine Barauszahlung. Sie müssen einen Großteil ihres Geldes zunächst in der Firma als Anleihe belassen. Diese läuft 15 Jahre lang und ist mit 3,5 Prozent verzinst. Einen kleineren Teil ihres Geldes können sie in Genossenschaftsanteile umwandeln. Wie viel Geld sie am Ende wirklich bekommen, hängt von der Entwicklung des Unternehmens Prokon ab. Als »Genossen« werden sie unternehmerisch tätig. Weitere Verluste drohen. Möglicherweise müssen mehrere der 54 Windparks verkauft werden.
In ersten Stellungnahmen - die Gläubigerversammlung war bei Redaktionsschluss noch nicht beendet - lobten Teilnehmer der nichtöffentlichen Versammlung das Mehrheitsvotum der rund 100 000 Gläubiger als Entscheidung für eine »bürgernahe« und »dezentrale« Energieversorgung. Thomas Jorberg, Vorstandssprecher der GLS Bank, die sich wie andere alternative Unternehmen für ein Genossenschaftsmodell stark gemacht hatte: »Das ist eine gute Nachricht für die Energiewende.« Deutschlandweit arbeiten inzwischen etwa 1000 Energiegenossenschaften.
»Großen Respekt« für die Verbundenheit der Prokon-Anleger äußerte EnBW-Vorstandsvorsitzender Frank Mastiaux. Man werde sich nun, »wie ursprünglich geplant«, auf ein »organisches Wachstum« konzentrieren. Allein für den weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien an Land und auf See hat EnBW in den kommenden Jahren 3,5 Milliarden Euro vorgesehen. Weitere drei Milliarden Euro sollen in den Ausbau der Übertragungs- und Verteilnetze fließen. Erneuerbare Energien und Netzgeschäft sollen im Jahr 2020 mit nahezu 90 Prozent zum Unternehmensgewinn beitragen.
Neben den 75 000 Anlegern, die über Genussrechte rund 1,4 Milliarden Euro in Prokon angelegt hatten, konnten auch Banken, Lieferanten und Stromkunden ihr Votum abgeben. EnBW hatte 550 Millionen Euro für eine Übernahme geboten. Über das Windkraftunternehmen aus Itzehoe (Schleswig-Holstein) war 2014 wegen Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit ein Insolvenzverfahren eröffnet worden.
In der neuen App »nd.Digital« lesen Sie alle Ausgaben des »nd« ganz bequem online und offline. Die App ist frei von Werbung und ohne Tracking. Sie ist verfügbar für iOS (zum Download im Apple-Store), Android (zum Download im Google Play Store) und als Web-Version im Browser (zur Web-Version). Weitere Hinweise und FAQs auf dasnd.de/digital.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.
Vielen Dank!