Grundlagen zur Abschottung
Der Bundestag verschärfte erneut das Asylrecht
Der Eindruck erhält sich auch nach der Abstimmung über die Verschärfung des Asylrechts am Donnerstagabend, dass die Bundesregierung einmal mehr dem Druck der Straße nachgegeben hat. Die fremdenfeindlichen Pegida-Demonstrationen und die vielen Angriffe auf Asylbewerberheime haben bei den Unionsparteien offenbar Spuren hinterlassen. Die Härte gegenüber Neuankömmlingen in Deutschland sei notwendig, erklärte Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) bereits vor der Abstimmung, um »die Zustimmung zur Zuwanderung und der Aufnahme von Schutzbedürftigen in Deutschland zu sichern«.
Diese Hartherzigkeit wurde jetzt mit den Stimmen der Großen Koalition in ein Gesetz gefasst. Bundestagsopposition wie Flüchtlingsaktivisten halten daran vor allem die Neuordnung des Ausweisungsrechts für äußerst problematisch. Demnach erhalten Behörden mehr Möglichkeiten, Flüchtlingen die Einreise und den Aufenthalt zu verwehren. Mit Vehemenz wird künftig jenen Asylbewerbern begegnet, die aus einem anderen EU-Land nach Deutschland gelangen. Sie sollen bereits beim bloßen Verdacht einer Manipulation ihrer biografischen Daten interniert werden können. Dafür können schon ein fehlender Pass oder unvollständige Angaben bei den Behörden ausreichen. Als Haftgrund wird dann eine drohende Fluchtgefahr herangezogen. Die Menschrechtsorganisation Pro Asyl lehnt diese Regelung ab, weil dadurch massenhaft Flüchtlinge in Abschiebehaft gelangen können.
Die Asylrechtsverschärfung befürworteten auch nicht alle Abgeordneten der SPD. Die Arbeitsgemeinschaft Migration und Vielfalt rügte insbesondere die Neudefinition der Fluchtgefahr, weil sie sich gegen die Wertung der Genfer Flüchtlingskonvention stelle, die eine Inhaftierung von Schutzsuchenden ausdrücklich untersagt. Dass die Große Koalition das Gesetz trotzdem ohne Querelen im eigenen Lager verabschieden konnte, liegt vor allem an der zugleich beschlossenen Änderung des Bleiberechts, die eine deutliche sozialdemokratische Handschrift trägt.
Demnach sollen langjährig geduldete Flüchtlinge einfacher eine dauerhafte Aufenthaltserlaubnis bekommen. Sofern sie eine erfolgreiche Integration vorweisen können - wenn sie also Deutsch sprechen und für ihren Lebensunterhalt selbst aufkommen -, winkt ihnen nach acht Jahren ein sicherer Aufenthaltstitel. Haben die Zuwanderer minderjährige Kinder, reichen sechs Jahre. Bis zu 30 000 Menschen könnten laut Bundesregierung von dieser neuen Regelung profitieren.
Obwohl Flüchtlingsorganisationen diese Bleiberechtsänderung als Fortschritt bezeichnen, hat die Opposition im Bundestag die Asylrechtsänderung geschlossen abgelehnt. Ulla Jelpke, Innenexpertin der Linkspartei, hält das Ergebnis unterm Strich für »beschämend«. Das Gesetz geize mit Verbesserungen und sei maßlos bei Verschärfungen, erklärte sie. Volker Beck von der Grünenfraktion sprach von einer Vielzahl von Eingriffen in das Grundrecht.
Ob das Gesetz ein rechtliches Nachspiel haben wird, bleibt abzuwarten. Pro Asyl meldete bereits Zweifel an, ob Richter in Deutschland aufgrund solch »ausufernder und generalklauselartiger Haftgründe« entscheiden werden. Die Organisation kündigte an, Flüchtlinge dabei zu unterstützen, wenn sie sich gegen die Inhaftierung aufgrund des neuen Abschieberechts wehren.
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