Varoufakis: Schäuble wollte schon 2012 den Grexit
Nobelpreisträger Stiglitz plädiert für »Oxi« / Euro-Länder versuchten IWF-Bericht zu stoppen / EU-Ratspräsident Tusk: Keine Abstimmung über den Euro / Tsipras: Es geht darum, »ob wir mit Würde in Europa bleiben«
Update 19.45 Uhr: Internationale Pressestimmen
Während deutsche Medien weitgehend konform sind in der Ablehnung der von der SYRIZA-Regierung verfolgten Politik, liest man anderswo in Europa auch in den großen Blättern sehr kritische Meinungen über die Berliner Regierung und ihrer Austeritätspolitik.
Die italienische Zeitung »La Repubblica« schreibt am Samstag: »Alle Regierungschefs haben sich vom ersten Tag an voll gegen Tsipras gestellt. Die Medien haben sich angepasst. Wir beobachten groteske Episoden wie jene, in der der Korrespondent des italienischen Senders Rai fünf Griechen interviewt und feststellt, dass alle fünf bei dem Referendum mit «Ja» stimmen wollen. Die Fehlinformation vereint sich mit der Verdrehung der Fakten: Zum Beispiel, dass es eine Wahl zwischen Drachme und Euro ist, wie es unser Premier Renzi leichtfüßig zusammengefasst hat. (...) Von vornherein musste die griechische Regierung mit einer starken Feindschaft umgehen. Die deutsche Presse war sogar in der Lage, die Grenzen zur persönlichen Beleidigung zu überschreiten, als sie die Bekleidung von Finanzminister Varoufakis beschrieb.«
Die serbische Boulevardzeitung »Informer« plädierte für ein klares »Nein« der Griechen beim Referendum, um gegen die »deutsche Ausbeutung« aufzustehen. »Das ist der Schluss des Projektes eines deutschen Europas, in dem wir wohl oder übel die deutsche Ausbeutung als Gipfel der Demokratie akzeptieren sollen«, so das Blatt am Samstag. »Das ist das verschobene Ende des blutigen 20. Jahrhunderts, in dem Deutschland ganz Europa beraubt hat und niemals gerechte Reparationen gezahlt hat. Das ist das Ende des Ideologieprojekts 'Blut und Boden', das so abgeändert wurde, dass wir - die Angehörigen der niederen Rassen - nicht sterben müssen, aber alles, was wir verdienen, den Herrschern des 'deutschen Europas' abgeben müssen. (…) Darum ist es für uns Serben so ungemein wichtig, wie diesen Sonntag die Griechen abstimmen. Ihr Nein ist die letzte echte Hoffnung, dass Europa vielleicht möglich ist als Gemeinschaft der gleichen Chancen, also einer Gemeinschaft, in der Gesetze und Moral herrschen und nicht die Ausbeuter.«
Die linksliberale Pariser Zeitung »Libération« kommentiert: »Die Frage der Gültigkeit des Referendums in Griechenland ist sekundär. Die einzig wirkliche Frage lautet: Soll man versuchen, die Positionen anzunähern, um Griechenland in Europa zu halten, oder nicht? Für eine Antwort gibt es drei Elemente. Ein «Grexit» ist möglich. Doch dadurch wird der Lebensstandard der Griechen unmittelbar um bis zu 50 Prozent sinken. Werden die Griechen das ertragen? Bei einem «Grexit» gehen den Kreditgebern etwa 320 Milliarden Euro verloren. Europa müsste auf diese riesige Summe verzichten. Wo bleibt da die Logik? Drittens: Nationalisten, Demagogen und Feinde Europas würden einen «Grexit» mit Jubel begrüßen. Will man ihnen das gönnen? Es gibt nur eine Lösung aus diesem Labyrinth: Verhandeln und nochmals verhandeln, unabhängig vom Ausgang des Referendums am Sonntag.«
Update 19.35 Uhr: Varoufakis: »Das ist Terrorismus«
Griechenlands Finanzminister Yanis Varoufakis hat den Gläubigern schwere Vorwürfe gemacht. »Was sie mit Griechenland machen, hat einen Namen - Terrorismus«, sagte Varoufakis der spanischen Zeitung »El Mundo« vom Samstag. »Warum haben sie uns gezwungen, die Banken zu schließen? Um Angst unter den Leuten zu schüren«, sagte Varoufakis. Dieses Phänomen heiße Terrorismus. Mit Blick auf die Volksabstimmung sagte der Minister, die Gläubiger wollten, dass das Ja gewinne, »damit sie die Griechen weiter erniedrigen können«. Auch Ministerpräsident Alexis Tsipras warf den Regierungen der Euroländern vor, seine Landsleute zu »terrorisieren«.
Update 18.35Uhr: Linke für Nein - und schnelle Verhandlungen mit Athen
Linksfraktionsvize Dietmar Bartsch hat die Bundesregierung aufgefordert, sich für zeitnahe neue Verhandlungen mit Griechenland einzusetzen. Es gehe darum, »schnellstmöglich Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass es über den ESM (Europäischer Stabilitätsmechanismus) eine Lösung gibt«. Auf ein »Nein« beim Referendum setzt Linksfraktionsvize Sahra Wagenknecht. Andernfalls werde die griechische Wirtschaft »unter den Sparauflagen weiter einbrechen«, sagte sie der »HAZ«. In der Chemnitzer »Freien Presse« sprach sich die Linken-Politikerin für eine 50-prozentige Vermögensabgabe für die reichsten Griechen aus.
Update 18.25 Uhr: Varoufakis: Schäuble wollte schon 2012 den Grexit
Griechenlands Finanzminister Yanis Varoufakis ist der Auffassung, dass Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble bereits seit mehreren Jahren einen Austritt Griechenlands aus der Eurozone befürwortet. Bereits im Jahr 2012 habe Schäuble »deutlich gemacht, dass er einen Grexit bevorzugen würde«, sagte Varoufakis der »Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung«. Europa habe zudem beschlossen, die griechische Führung »zu erpressen, damit wir einen Vertrag unterschreiben, der für niemanden gut ist«, sagte der Minister. Varoufakis gab sich dem Bericht zufolge zudem zuversichtlich, dass die Griechen bei dem Referendum über die Gläubigerpläne am Sonntag mit Nein stimmen. »Ich weiß, dass die deutsche Regierung es gerne anders hätte, aber die Griechen wahrscheinlich nicht«, sagte er der »FAS«. »Sie vertrauen uns«, sagte er mit Blick auf die Wähler. Varoufakis ging zudem von einer erfolgreichen Fortsetzung der Verhandlungen der griechischen Seite mit den Gläubigern aus. »Ich erwarte, dass wir am Montag eine Einigung haben werden«, sagte der Minister. Das gelte »unabhängig davon«, wie das Referendum ausgehe.
Update 18.10 Uhr: Nein-Propaganda und Notstands-Rhetorik
Mehrere Politiker haben ihre Forderung nach einem Nein beim Referendum in Griechenland über die Gläubiger-Politik mit Erklärungen verbunden, es würden »Notstandskredite« nötig oder es stehe eine »humanitäre Katastrophe« bevor. (Im Übrigen: Die bisher schon durch die »Hilfsprogramme« mitverursachte soziale Lage war in den vergangenen Jahren bei diesen Politikern nur selten auch ein Thema.) Der Präsident des EU-Parlaments, Martin Schulz, brachte am Samstag »Notstandskredite« zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Versorgung in Griechenland ins Spiel. »Dafür wären kurzfristig Gelder in Brüssel abrufbar«, sagte der SPD-Politiker der »Welt am Sonntag«. Besonders schwierig werde die Lage, wenn Athen nach einem »Nein« der Griechen beim Referendum am Sonntag. »Ohne neues Geld können die Gehälter nicht ausgezahlt werden, das Gesundheitssystem funktioniert nicht mehr, die Stromversorgung und der öffentliche Transport versagen«, sagte er. Schon jetzt waren freilich durch die Kürzungsprogramme viele soziale Versorgungsleistungen nicht mehr finanzierbar. Ein für die Gläubiger arbeitender Experte behauptete in der Zeitung zufolge: »Die Regierung hat vielleicht noch Geld für eine Woche, aber bestimmt nicht viel länger.« Auch der Chef der konservativen EVP-Fraktion im Europaparlament, Manfred Weber, warnte vor einer »humanitären Katastrophe«. Sollten die Griechen am Sonntag mit Nein stimmen, werde das Wirtschaftsleben dort zum Stillstand kommen, drohte Weber am Samstag in München. Dies hätte auch Auswirkungen auf die Gesundheitsversorgung.
Update 13.05 Uhr: Bei Merkel-Auftritt Protestaktion: Oxi
Bei einem Auftritt von Kanzlerin Angela Merkel beim Tag der offenen Tür in der Berliner CDU-Parteizentrale haben mehrere Aktivisten gegen die Gläubigerpolitik gegenüber Griechenland protestiert. Die Demonstranten trugen kleine Plakate mit der Aufschrift »Oxi« - auf griechisch: »Nein« - und protestierten lautstark gegen die nicht zuletzt von der Bundesregierung verfolgten Austeritätskurs. Nach wenigen Minuten wurde die kleine Gruppe von Ordnern aus dem Konrad-Adenauer-Haus geleitet. Merkel reagierte mit den Worten, sie stelle dem Protest ein »Nai« entgegen - »das heißt Ja auf griechisch«.
Update 12.30 Uhr: Nobelpreisträger Stiglitz plädiert für »Oxi«
Der Nobelpreisträger und Wirtschaftswissenschaftler Joseph Stiglitz hat für ein Nein (»Oxi«) beim Referendum in Griechenland plädiert. Gegenüber Zeit online sagte er auf die Frage, was der beste Ausweg aus der Krise wäre: »Die Griechen stimmen am Sonntag mit Nein. Dann müssen die europäischen Regierungschefs neu beraten. Die beste Lösung wäre eine Reduzierung der Schuldenlast, ein realistischeres Wachstumsziel – sagen wir 1,5 Prozent. Die Griechen brauchen eine viel längere Frist, um ihre Schulden abzutragen. Und das Land sollte zur Abwechslung mal richtige Hilfsleistungen bekommen«. Die meisten bisher überwiesenen Kredite seien »nicht in Griechenland angekommen. Das waren doch Rettungspakete für deutsche und französische Banken. Eine Idee wäre eine Umschuldung wie in Argentinien, wo die Anleihen an das Wirtschaftswachstum geknüpft werden«, so Stiglitz. Er nannte es zudem einen »Riesenfehler, Griechenland aus der Euro-Zone zu drängen«. Die »angeblichen Rettungsprogramme sind völlig falsch angelegt. Das war bereits 2010 so, und auch die jüngste Initiative folgt dem gleichen falschen Ansatz«.
Update 11.25 Uhr: Das Referendum, die Stimmung und die deutsche Berichterstattung
Eine interessante Zusammenfassung zur aktuellen Umfrage-Lage in Griechenland vor dem Referendum findet sich im Onlineportal treffpunkteuropa.de. »Die Griechen stehen weiter hinter ihrem Regierungschef Alexis Tsipras. Ob er ein Nein beim Referendum über das Hilfspaket durchsetzen kann, ist jedoch ungewiss. Besonders Jungwähler scheinen auf der Seite des Ministerpräsidenten zu stehen. Die Rentner dagegen dürften klar mit Ja votieren. Ihre Stimmung hat sich insbesondere mit der Schließung der Banken am Monat verändert. Insgesamt zeigen die Umfragen, dass die deutschsprachige Berichterstattung nicht immer der Stimmung in Griechenland entspricht.«
Update 10.50 Uhr: SPD-Generalsekretärin hofft auf ein »Ja«
SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi hofft auf ein »klares Votum für den Euro«, wenn die Griechen am Sonntag in einem Referendum über die Sparpläne ihrer Gläubiger abstimmen. (Was daran ein Votum für Europa sein soll, wenn man für Kürzungen und eine verfehlte »Rettungs«politik votieren soll?) »Für Griechenland wäre es das Beste, und für Europa auch«, sagte Fahimi der »Neuen Osnabrücker Zeitung«. Die SPD-Politikerin kritisierte den griechischen Regierungschef Alexis Tsipras und warf ihm vor, mit der Zukunft seines Volkes zu spielen, um gegenüber den Gläubigern »Maximalforderungen« durchzusetzen. Sparer, Arbeiter, Rentner litten am stärksten an der aktuellen Situation, die Tsipras durch »mangelndes Regierungsgeschick« verursacht habe. »Ich verstehe nicht, weshalb diese Regierung, die sich links nennt, bislang kein Gesetz erlassen hat, mit dem sie die griechischen Millionäre und Milliardäre zur Kasse bittet und an den Kosten der Krise beteiligt«, kritisierte Fahimi. Die SPD habe stets betont, dass an die Seite der Kürzungspolitik auch ein Investitionsprogramm für Griechenland treten müsse. »Ich bin froh, dass Angela Merkel dies seit einiger Zeit ähnlich sieht«, sagte Fahimi.
Update 9.45 Uhr: Varoufakis weist Bericht über Zwangsabgabe für Sparer zurück
Der griechische Finanzminister Yanis Varoufakis hat einen Zeitungsbericht über eine mögliche Zwangsabgabe für Kontoinhaber zur Stützung der griechischen Banken zurückgewiesen. Bei dem Bericht handle es sich um ein »böswilliges Gerücht«, das der Chef der griechischen Bankenverbands bereits am Freitagmorgen dementiert habe, erklärte Varoufakis über den Kurzbotschaftendienst Twitter. Die britische Zeitung »Financial Times« berichtet in ihrer Samstagausgabe unter Berufung auf mit den Verhandlungen vertraute Banker und Geschäftsleute, Anlegern mit einem Guthaben von mehr als 8.000 Euro könnte ähnlich wie im Falle Zyperns im Jahr 2013 eine Zwangsabgabe drohen: Im Gespräch seien mindestens 30 Prozent ihrer Einlagen. »Solche Pläne gibt es absolut nicht«, sagte die Präsidentin des griechischen Bankenverbandes, Louka Katseli, dem TV-Sender Skai am Samstag. »Das Szenario einer Kürzung von Bankguthaben gehört in den Bereich der Fantasie«, sagte Katseli. Spekulationen über mögliche Einschnitte kursieren schon seit Tagen in der griechischen Presse. Die Regierung von Ministerpräsident Alexis Tsipras betonte jedoch wiederholt, die Bankguthaben seien sicher.
Update 9.15 Uhr: Euro-Länder versuchten IWF-Bericht zu stoppen
Laut einem Bericht der Nachrichtenagentur Reuters haben Regierungen von Euro-Staaten versucht, die Veröffentlichung eines Berichts des Internationalen Währungsfonds über die Schuldenlast Griechenlands zu stoppen - offenbar, weil der Bericht die Forderung der griechischen Regierung nach einer Schuldenerleichterung unterstützt. Der IWF hatte am Donnerstag eine Analyse zur Schuldentragfähigkeit Griechenlands veröffentlicht, in der auch die Notwendigkeit eines Schuldenerlass erläutert wird. Premier Alexis Tsipras hatte den Bericht als eine »großartige Bestätigung für die griechische Regierung« bezeichnet. Reuters zufolge hat es über die Veröffentlichung hinter den Kulissen einen Streit zwischen IWF und Euro-Staaten gegeben. Bei einem Treffen am Mittwoch, in dem es auch um den Zeitpunkt gegangen sei. Während die Europäer auf die Bremse treten wollten, und eine Veröffentlichung vor dem Referendum ablehnten, weil die Fakten auch politischen Rückenwind für die Nein-Empfehlung von Tsipras bedeuten könnte, plädierten unter anderem die USA auf eine frühere Veröffentlichung gedrängt. »Die EU muss verstehen, dass nicht alles auf der Grundlage ihrer eigenen Vorstellungen entschieden werden kann«, wird eine IWF-Quelle in dem Bericht zitiert. Man könne die Fakten nicht »verstecken«, nur weil sie politisch genutzt werden könnten.
Update 8.50 Uhr: Knapper Ausgang laut Umfragen erwartet
Beim Referendum über die Gläubiger-Politik am Sonntag wird in Griechenland ein knappes Ergebnis erwartet. Neue Umfragen zeigen ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Oxi und Nai: Laut Zahlen, die auf dem griechischen Nachrichtenportal »To Proto Thema« veröffentlicht wurden, wollten 41,1 Prozent mit »Nein« zur Gläubiger-Politik stimmen, 41,7 Prozent der Befragten wollten beim Referendum mit Ja votieren. In einer Umfrage für das Portal Parapolitika wollten 47 Prozent mit Nein stimmen, 46 Prozent kündigten ein Ja an.
Update 8.45 Uhr: Butterwegge wirbt für Solidarität statt Austerität
Der Sozialwissenschaftler Christoph Butterwegge hofft auf ein Nein beim Referendum am Sonntag in Griechenland über die Gläubiger-Politik. WEr würde sich wünschen, »dass Europa Solidarität zeigt statt Austerität zu diktieren. Man kann ja gar nicht von Sparpolitik mehr reden«, sagte Butterwegge im Deutschlandfunk mit Blick auf die Kürzungen im Rentenbereich. »Von den Renten leben häufig ganze Großfamilien und das heißt, man zerstört da wirklich das soziale Netz der Familien«. Wenn man jetzt denen »die materielle Grundlage entzieht, den Familien, dann bedeutet das natürlich für Kinder auch absolutes Elend und Not.« Die Folge sei Perspektivlosigkeit. »Wenn aus armen Kindern arme Jugendliche und dann junge Menschen werden, die selber womöglich wieder arme Kinder bekommen, dann fällt eine Gesellschaft auch auseinander, denn auf der anderen Seite gibt es natürlich auch in Griechenland Reiche und Wohlhabende und ich denke, es wird sozialer Unfriede geschaffen.«
Update 8.20 EU-Ratspräsident Tusk: Keine Abstimmung über den Euro
Der Präsident des Europäischen Rates, der polnische Politiker Donald Tusk, hat ausdrücklich verneint, dass das Referendum über den Verbleib Griechenlands in der Eurozone entscheide, wie es vor allem von deutschen Politikern aber auch anderen EU-Vertretern immer wieder behauptet wird. »Es ist völlig klar, dass das Referendum keine Abstimmung über die Mitgliedschaft in der Eurozone ist«, sagte Tusk in einem Interview mit der Website Politico. Vielleicht müsse man lernen, damit zu leben, dass auch ein Land in der Eurozone pleite gehen könne, sagte Tusk.
Update 8 Uhr: Beamer-Aktion der Linken am Finanzministerium: Oxi
Mit einem riesigen »Oxi« (Nein), das an die Frontfassade des Berliner Bundesfinanzministeriums projiziert wurde, hat die Linksfraktion im Bundestag gegen die Haltung der Regierung in der Griechenlandfrage und protestiert. Vertreter der Partei beteiligten sich zudem an der großen Nein-Demonstration in Athen. Parteichef Bernd Riexinger sagte zur Unterstützung von Tsipras: »Es ist keine Abstimmung für oder gegen den Euro. Ich finde es verantwortungslos, wenn Spitzenpolitiker in Deutschland es dazu machen«. Auch in Berlin und anderen deutschen und europäischen Städten waren am Freitagabend Abertausende bei kleinere und größeren Kundgebungen gegen die Gläubiger-Politik und den herrschenden Austeritätskurs auf die Straße gegangen.
Deutsche Politiker und Kapitalvertreter werben für »Ja«
Berlin. Vor dem griechischen Referendum über die Gläubiger-Politik haben sich erneut deutsche Politiker mit Wahlempfehlungen hervorgetan - zumeist waren diese gegen die SYRIZA-geführte Regierung und deren Nein zu Kürzungspolitik gerichtet. Dabei wurde auch wieder behauptet, ein Oxi sei ein Votum gegen den Euro oder gegen Europa. Griechenlands Premier Alexis Tsipras hatte immer wieder betont, dass es bei einem »Nein« um eine stärkere Position im Falle neuer Verhandlungen mit den Gläubigern gehe. »Am Sonntag werden wir nicht nur einfach über unseren Verbleib in Europa entscheiden, sondern über die Frage, ob wir mit Würde in Europa bleiben«, sagte Tsipras am Freitagabend vor Zehntausenden auf dem Syntagma-Platz.
Athen, Berlin etc.: Zehntausende sagen Oxi
Bundesweite Soli-Proteste für SYRIZA / Oberstes Verwaltungsgericht genehmigt Referendum / Tsipras: 30 Prozent Schuldenschnitt, 20 Jahre Frist / Grüne und Linke kritisieren Schulz: Es reicht! Der Newsblog vom Freitag zum Nachlesen
Die früheren Bundesaußenminister Joschka Fischer (Grüne) und Hans-Dietrich Genscher (FDP) riefen die Griechen auf, mit Ja zu stimmen. »Griechenland gehört zu Europa, ein 'Ja' ist ein 'Ja' zu Europa und zum Euro«, sagte Fischer der »Berliner Zeitung« vom Samstag. Alles andere - besonders ein »Nein« wäre für alle »ein Desaster«, sagte er weiter. Fischers Vorgänger Hans-Dietrich Genscher sagte, ein »klares pro-europäisches Votum« könnte allen Seiten helfen. Er glaube, dass ein »Ja« zudem eine Einigung über eine gemeinsame Wachstumsstrategie befördern könnte.
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) schloss ein Ausscheiden Griechenlands aus der Euro-Zone nicht mehr aus. »Ob mit Euro oder vorübergehend ohne: Diese Frage können nur die Griechen selbst beantworten«, sagte er der »Bild«-Zeitung mit Blick auf das Referendum. »Klar« sei aber auch im Falle eines Ausstiegs aus dem Euro: »Wir werden die Menschen in Griechenland nicht im Stich lassen«, fügte er hinzu.
Auf die Frage, welche Lehren er aus der Griechen-Krise ziehe, sagte Schäuble, eine Gemeinschaft könne nur funktionieren, wenn sich die Mitglieder an die Regeln hielten. Er erinnerte »selbstkritisch« daran, dass Deutschland und Frankreich im Jahr 2003 als erste die Stabilitätsregeln des Euro gebrochen hätten. »Das war der Sündenfall.«
Führende Außenpolitiker von Regierung und Opposition forderten unterdessen Bundespräsident Joachim Gauck auf, zur Griechenlandkrise Stellung zu beziehen. Grünen-Außenpolitiker Omid Nouripour sagte der »Bild«, das »Friedensprojekt Europa« stehe auf dem Spiel. »Deshalb wäre es gut, wenn der Bundespräsident seine Autorität nutzen würde, um sich für eine Lösung stark zu machen.« »Die Worte des Bundespräsidenten haben Gewicht«, sagte auch der CDU-Abgeordnete und Außenexperte Roderich Kiesewetter. »Deshalb sollte seine Botschaft sein: Europa lebt vom Willen zum Zusammenhalt.«
Lobbyvertreter des deutschen Kapitals hoffen bei dem Referendum in Griechenland ebenfalls auf ein Ja zur Gläubigerpolitik. »Unsere Hauptsorge ist: Was passiert nach einem ›Nein‹ der Griechen«, sagte der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Eric Schweitzer, der Deutschen-Presse Agentur. Schweitzer warf der Athener Regierung unter Ministerpräsident Tsipras vor, Griechenland in tiefe soziale Spannungen hinein zu manövrieren. »Das ist schon schwer zu verstehen.« Die Europäische Zentralbank (EZB) werde faktisch den Geldhahn zudrehen und die Nothilfen für griechische Banken einstellen müssen, wenn das Referendum negativ ausfällt, erwartet der DIHK-Chef.
Aus Sicht des DIHK wird es schwer für Griechenland, die bisherigen Kredite irgendwann zurückzuzahlen. »Ich glaube nicht, dass es eine realistische Chance gibt, dass wir alles Geld wiedersehen«, sagte Schweitzer. Er rief die deutschen Unternehmen auf, unabhängig vom Ausgang der Volksabstimmung ihre Geschäftsbeziehungen zu Griechenland nicht abzubrechen. »Natürlich können Geschäftskontakte nicht bei dauerhaften Zahlungsschwierigkeiten bestehenbleiben, aber sie sollten so weit wie möglich aufrechterhalten werden.« Es wäre nicht gut, die griechische Wirtschaft jetzt kurzfristig zusätzlich zu belasten. Agenturen/nd
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