Sieg der Stellvertreter
Spanier sehen Erfolg der Nein-Griechen als Blick in eigene Zukunft
Die Spanier haben das griechische Referendum mit besonderer Spannung verfolgt, wurde es doch wie eine Vorentscheidung auf die Parlamentswahlen im Herbst gewertet. Und als sich ein klarer Sieg des Nein abzeichnete, knallten Sektkorken und Feuerwerksraketen, um den Sieg über die Austeritätspolitik der eigenen konservativen Regierung zu feiern.
Für die neue Partei Podemos (Wir können es) ließ Parteichef Pablo Iglesias umgehend seiner Freude freien Lauf. »Heute hat in Griechenland die Demokratie gewonnen«, schrieb er über den Kurznachrichtendienst Twitter und veröffentlichte ein Bild aus dem SYRIZA-Wahlkampf, wo er Arm in Arm mit SYRIZA-Chef Alexis Tsipras zu sehen ist.
Wie in kaum einem anderen Land hatten hier Parteien das Referendum zur eigenen Sache gemacht. Die ums Überleben kämpfende rechte Regierung wollte über einen Sieg des Ja ein Exempel statuieren und Podemos schweren Schaden zufügen. Zuletzt sprach deshalb Regierungschef Mariano Rajoy von »SYRIZA-Podemos«. Er warnte vor Chaos und stellte seine Austeritätspolitik als alternativlos dar. Sie sei »seriös und erfolgreich« meinte er, auch wenn die breite Bevölkerung davon bisher nichts spürt. Podemos warb dagegen für ein Nein und erklärte: »Heute gibt es in Europa eine Konfrontation zwischen Austerität und Demokratie, einer Regierung der Bevölkerung oder einer Regierung der Märkte und ihrer von niemandem gewählten Macht.« Und nach dem Ergebnis sagte Podemos-Politiker Íñigo Errejón im Fernsehen, es handle sich bei Griechenland mehr um ein »politisches als ein ökonomisches Problem«. Die Nummer zwei von Podemos erklärte in der Debatte weiter: »Wir sehen ein reifes Volk, dass deutlich macht, dass es die Maßnahmen korrigieren will, die zum Desaster führen.«
Rajoy pokerte vor dem Referendum im viertgrößten Euroland besonders hoch. Hatten er und seine rechte Volkspartei (PP) versucht, schon die Wahlen in Griechenland zu Ungunsten von SYRIZA zu beeinflussen, stimmte Rajoy die Spanier auf den Sturz der Linksregierung ein. »Die gute Nachricht ist, wenn die Regierung das Referendum verliert, dass es dann eine andere gibt, mit der verhandelt werden kann«, sagte er im Interview.
Es ging aber schief, den Aufstieg von Podemos per Griechenland in einem Absturz in der Wählergunst zu verwandeln. Es war Podemos zu verdanken, dass Rajoys PP bei den Regional- und Kommunalwahlen in fast allen Regional- und vielen Stadtparlamenten die Macht verloren hat. Dass von Podemos gestützte Bündnisse nun Metropolen wie Madrid und Barcelona regieren, ist der PP tief unter die Haut gefahren. Nun steht Rajoy vor dem Scherbenhaufen, während Podemos einen Sieg für sich verbucht. Und wie üblich äußert sich Rajoy nicht. Er hat Parteiführer zum Krisentreffen geladen, um über die neue Lage zu debattieren. Widersprüche zeigten sich zuvor aber schon. Hatte Rajoy stets erklärt, das Nein bedeute Griechenlands Euro-Ausstieg, erklärte sein Wirtschaftsminister Luis de Guindos am Montag: »Spanien ist offen für neue Verhandlungen über eine Griechenland-Rettung«.
Probleme mit der Deutung der Lage hatte auch die Sozialdemokratie. PSOE-Parteichef Pedro Sánchez vermied zuvor jede Festlegung und erklärte, es müsse weiter verhandelt werden, egal wie das Ergebnis ausfalle. Auch er musste seine Haltung zum Ergebnis aber erst in der Parteiführung abstimmen. Am Montagmittag erklärte er, die Krise »bietet eine Chance, endlich die Sachen richtig zu machen«, ohne den Weg zu benennen. Rajoy »instrumentalisiere« Griechenland, meinte er. Dort bestünden die Probleme weiter, eine Lösung sei aber mit »EU-Solidarität« und »griechischer Verantwortlichkeit« möglich.
Für die neue rechte Partei »Ciudadanos« (Bürger), die sich auch als Alternative zu PP und PSOE anbietet, erklärte deren Parteichef Albert Rivera, die »Nein-Feiern« nicht zu verstehen, weil es sich um eine »schlechte ökonomische Nachricht« handele. Die Partei, die der PP in wenigen Regionen erneut zur Macht verholfen hat, spricht davon, dass Griechenland seine Schulden »ohne Zweifel« bezahlen müsse.
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