Verfassungsrichter verhandeln BKA-Gesetz

Früherer FDP-Innenminister Baum: Gesetz muss korrigiert werden / Grünen sehen Balance zwischen Sicherheit und Freiheit gefährdet / Peter Schaar: Wahrung des Kernbereichs der Privatsphäre

  • Lesedauer: 3 Min.

Berlin. Das Bundesverfassungsgericht prüft am heutigen Dienstag ab 10.00 Uhr in mündlicher Verhandlung, ob die Ermächtigungen des Bundeskriminalamt (BKA) zur Terrorismusbekämpfung die Grundrechte der Bürger verletzen. Auf Grundlage des sogenannten BKA-Gesetzes von Ende 2008 ist die Bundespolizei befugt zur Online-Durchsuchung von Computern, sie darf Wohnungen mutmaßlicher Verdächtiger auch mit Kameras bespitzeln, die Telekommunikation belauschen und selbst unbeteiligte Kontaktpersonen überwachen. Zu den Klägern zählen Grünen-Politiker, der frühere liberale Bundesinnenminister Gerhart Baum (FDP) sowie Journalisten, Anwälte und Ärzte, die ihr Berufsgeheimnis ausgehöhlt sehen.

Baum forderte vor Verhandlungsbeginn noch einmal Änderungen am BKA-Gesetz. Der FDP-Politiker verlangte unter anderem höhere Schranken für das Ausspähen von Computern. »Denn der Computer ist unser ausgelagertes Gehirn. Da muss man sehr vorsichtig sein, wenn der Staat da zugreift«, sagte Baum am Dienstag im ZDF-»Morgenmagazin«. Die Kläger seien nicht gegen das Gesetz, sondern gegen einzelne Ermittlungsbefugnisse, sagte Baum. »Wir sind zuversichtlich, dass das Gesetz an einigen Stellen korrigiert wird.«

Der frühere Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar erklärte gegenüber den »heute«-Nachrichten, bei der Verhandlung gehe es »um die Wahrung des Kernbereichs der Privatsphäre«. In der Vergangenheit habe das Bundesverfassungsgericht wiederholt festgestellt, »dass dieser Kernbereich absolut geschützt ist und nicht überwacht werden darf, selbst wenn es sich um Personen handelt, die einer schweren Straftat verdächtigt werden.«

Die Grünen sehen mit dem BKA-Gesetz die Balance zwischen Sicherheit und Freiheit auf Kosten bürgerlicher Grundrechte übermäßig verschoben. Zudem fehle dem Gesetz eine ausreichende Rechtsgrundlage, weil es sich nur auf den »vagen Begriff des internationalen Terrorismus« berufe. Das BKA könne damit auch ohne konkreten Verdacht präventiv ermitteln, so die Kläger.

Die Klägergruppe um Baum kritisiert zudem, dass der Spähangriff auf Wohnungen mit versteckten Kameras ein sehr viel schwerwiegender Eingriff in die Würde der Betroffen sei als der Lauschangriff. Menschen könnten beim Ankleiden, im Bad oder beim Sex beobachtet werden. Dies gelte auch für unbeteiligte Dritte, die sich in der Wohnung aufhalten. Weil kaum eine Maßnahme stärker in den Kernbereich privater Lebensgestaltung eindringe, müsse die Einsatzschwelle für einen Spähangriff auch höher sein als beim Lauschangriff, doch daran fehle es im Gesetz.

Die Bundesregierung wies dies in ihrer Stellungnahme an das Gericht zurück. Ihrer Auffassung nach muss der Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung »nicht in jedem Fall« gesetzlich geregelt werden. Zudem stelle das BKA-Gesetz sicher, dass die »vor Ort ermittelnden Beamten kernbereichsrelevante Informationen nicht zur Kenntnis nähmen«.

Die Anwälte, Ärzte und Journalisten kritisierten zudem, dass mit dem Gesetz auch die Vertraulichkeit zwischen ihnen und ihren Mandanten, Patienten oder Informanten ausgehebelt werde. Der bekannte TV-Journalist und Kriegsberichterstatter Christoph Maria Fröhder gibt an, dass er für seine Berichte aus Afghanistan und Irak auch Verbindungen zu terroristischen Organisationen und deren Umfeld geknüpft habe. Würden seine Treffen und Gespräche mit Informanten in Deutschland aber vom BKA belauscht, sei womöglich nicht nur seine Arbeit, sondern auch sein Leben gefährdet. Agenturen/nd

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