Streit um den Bildungsurlaub
Kritik am rot-rot-grünen Gesetzentwurf kommt nicht nur von der Wirtschaft
So sehr sich Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (LINKE) und seine Minister auch bemühen, nicht als Schreckgespenst der Wirtschaft aufzutreten, so sehr haben die Pläne für ein Thüringer Bildungsfreistellungsgesetz ihre Beziehungen zu vielen Unternehmen und vor allem deren Lobbyisten belastet. Nach dem Willen von Rot-Rot-Grün sollen Thüringer Arbeitnehmer - wie es in vielen Bundesländern schon üblich ist - demnächst einen gesetzlichen Anspruch auf bezahlten Urlaub zum Zweck von Weiterbildungen haben. In dieser Woche soll ein entsprechendes Gesetz endgültig vom Landtag verabschiedet werden. Gleich als erster Punkt steht der Gesetzesentwurf ab Mittwoch auf der Tagesordnung.
Wirtschaftsvertreter - allen voran Funktionäre der Thüringer Industrie- und Handelskammern (IHK) - waren zuletzt Sturm gegen dieses Gesetz gelaufen. Der Vorwurf, Rot-Rot-Grün wolle das Bildungsfreistellungsgesetz nur wegen ideologischer Verbohrtheit durch die parlamentarischen Instanzen bringen, schwang bei fast jeder Äußerung eines Präsidenten oder Hauptgeschäftsführers der drei Thüringer IHKs mit. Befeuert wurden solche Vorwürfe mehr als einmal von der CDU, die sich schon in der vergangenen Legislaturperiode heftig gegen ein solches Gesetz gewehrt hatte und damit schließlich erfolgreich gewesen war. Die SPD, die sich von jeher für ein Bildungsfreistellungsgesetz eingesetzt hatte, konnte dieses Regelwerk nicht durchsetzen, als sie noch mit der Union koalierte.
Dass bei allen Ideologie-Vorwürfen der Wirtschaft und der Opposition die aktuellen Pläne von Rot-Rot-Grün für ein Bildungsfreistellungsgesetz aus der Sicht von gestandenen Arbeitnehmervertretern aber ganz weit weg von linker Ideologie sind, zeigt andererseits die Reaktion des stellvertretenden Vorsitzenden des Deutschen Gewerkschaftsbundes im Bezirk Hessen-Thüringen, Sandro Witt. Der Gewerkschafter - wie Ramelow Mitglied der LINKEN - warf Rot-Rot-Grün in der Debatte um das Gesetz vor, sie sei »als Tiger gestartet und wie alle Vorgänger als Teppichvorleger der Wirtschaft gelandet«. Witt kritisierte in der »Thüringer Allgemeine« unter anderem die fehlende Berücksichtigung der Betriebe unter fünf Mitarbeitern. Dies schlösse viele Beschäftigte aus.
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